Kreativ ist das neue Normal
Die HauptreferentInnen Dr.in Boglarka Hadinger und Prof Dr. Markus Hengstschläger begeisterten das Publikum mit ihren Vorträgen. Im Anschluss diskutierte das Publikum angeregt via Youtube-Chat mit den PodiumsteilnehmerInnen: Dr. Adrian Kamper, Kinder- und Jugendpsychiater, Maria Lodjn, Lehrerin, Dr. Alfred Klampfer, Bildungsdirektor für OÖ, Silke Freimüller, Mutter, Mag. Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Telefonseelsorge und den beiden HauptreferentInnen. Moderiert wurde die Tagung in spannender Weise von Claudia Em.
Hier ein paar Inhalte der Hauptvortragenden:
Dr. Boglarka Hadinger erläuterte, was Menschen in unsicheren Zeiten in der Beratung und Psychotherapie suchen. Sie verglich die Themen mit Räumen:
- Raum: Raum der Gefühle: „Ich verstehe dich“ - Es ist wichtig, dass die Menschen sich von der /dem Berater/in verstanden fühlen.
- Verstehst du dich? Die Menschen führen im Moment sieben Leben in einem, weil sie so viele Rollen übernehmen müssen. Es ist wichtig, dass sie sich selbst verstehen können, dass das was sie erleben, nicht normal ist. Frau Dr. Hadinger zitierte Viktor Frankl, der einmal sagte: Manchmal ist das Symptom das einzig gesunde in einem falsch geführten Leben.
- Raum der Gedanken: Es tut gut, den Menschen Detektivfragen zu stellen, um als Berater/in die Situation ganz genau kennen zu lernen. So können die Menschen denken, sich orientieren, informieren.
- Raum der Veränderung: Frage: „Können/ möchten Sie etwas verändern?“ Diese Frage bezieht sich auf die Haltung des Menschen. Kann/will er/sie etwas tun?
- Raum: Ist es sinnvoll? Wozu sagt ihr Gefühl ja? Die Veränderung muss für die Menschen sinnvoll sein. Der Therapeut soll nicht nur Anwalt des Klienten sein, sondern auch Anwalt der Realität. Man muss auch überprüfen, wie hoch der Preis ist.
Frau Dr. Hadinger meinte: „Der Preis, den die Kinder derzeit zahlen, ist zu hoch.
Victor Frankl sagte einmal: „Ich bin ein tragischer Optimist.“ Es ist heute verpönt, über Probleme zu reden. Frankl hat das Leid gesehen, gespürt und benannt. Er hat nach dem Leiden einen Punkt gemacht. Frau Dr. Hadinger benennt, was für Kinder jetzt wichtig ist: Kinder müssen ans Licht, müssen in Bewegung sein, müssen anderen Kindern und Jugendlichen begegnen.
Prof. Dr. Markus Hengstschläger erläuterte in seinem Vortrag, dass sowohl die Vorhersehbarkeit als auch die Unvorhersehbarkeit des Lebens derzeit steigen. Durch die stetig wachsende digitale Überwachung werde sie vorhersehbar, die Krisen machen sie unvorhersehbar.
Er nennt das Phänomen VUKA (volatil, uncertain, komplex, ambivalent).
Die Geschwindigkeit in der Welt hat massiv zugenommen. Die Menschen erleben so viele Herausforderungen wie noch nie. Für manche gibt es eine Antwort, für manche brauchen wir eine Lösung. Prof. Hengstschläger setzt sich dafür ein, dass wir mehr Lösungsbegabung brauchen. Diese soll von klein auf gelehrt werden. Wir sind in Österreich keine Innovation-Leader.
Dr. Hengstschläger meint: „Das für die Persönlichkeitsbildung Coolste ist das Finden einer Idee!“ Das Lösen ist etwas sehr Spannendes. Hengstschläger konstatiert, dass wir den Kindern schon von klein auf diese Begabung nehmen, indem wir den Kindern die Probleme lösen.
Viele Menschen glauben, dass man Lösungsbegabung hat oder nicht hat. Als Genetiker weiß Hengstschläger, dass die Gene in diesem Zusammenhang nur eine kleine Rolle spielen.
Bei den Begabungen sind die Menschen nicht auf ihre Gene reduzierbar. Es ist das Recht jedes Kindes, dass wir uns mit ihm auf die Suche nach seinen Talenten machen. Wie oft lässt man jungen Menschen das Gefühl: “Du kannst das!“? Sie brauchen das!
Zum Betreten von Neuland braucht es Mut und auch Angst. Im Abwägen zwischen Mut und Angst entstehen neue Ideen und Lösungen. Lösungsbegabung erfordert es dass die Menschen mit Mut und Angst umgehen lernen.
Die Menschheit erlebt aber 2000 Jahre alte Verzerreffekte: Menschen geben der Katastrophe mehr Bedeutung als dem Guten. Die gesellschaftliche Dominante heißt: Only bad news are good news.
Hengstschläger erläutert den Medici-Effekt. Die Medici waren eine reiche Familie in der Rennaissance. Sie haben Menschen mit verschiedenen Interessen gefördert. Durch die Vielfalt entsteht Innovation. Innovation ist Kreativität an den Schnittflächen.
Eine weitere für Innovation erschwerende Einstellung ist: Je mehr man übt, umso besser wird man. Wenn man etwas Neues kreieren will, braucht es etwas anderes.
Bisher war es der wichtigste Schwerpunkt der Lehre, schon bestehendes Wissen weiter zu geben. Was wenn in den nächsten Jahren/Jahrzehnten etwas anderes gefordert ist?
Es gibt gerichtetes und ungerichtetes Wissen. Unser Schulsystem ist auf gerichtetes Wissen ausgerichtet. Zum ungerichteten Wissen gehören kreatives Denken, Soziale Beziehung, Resilienz, …
Wie kommt man dazu? Optimal ist es in einen Aktivitätszustand zu kommen, indem man nicht nachdenken muss. Man tut das, was man immer tut und befindet sich in einem Ruhezustand. Gewisse Gehirnregionen sind aktiv. Diesen Zustand nennt Hengstschläger den Default Mode Network. Wer in diese Zustand ist, wird kreativ.
Nur mit dem ich mich kreativ beschäftige und dann eine Zeit für den DMN Zustand habe, werde ich kreativ.
Wenn es um Lösungen geht, gibt es drei Gruppen:
- Blauäugige Optimisten: sagen immer: “Das geht sich aus! Die machen das schon!“
- Eingefleischte Pessimisten: Diese sagen: „Das geht sich nicht aus! Der Mensch ist im Grunde schlecht“
- Die Ermöglicher: Einfach wird es nicht, war es aber auch noch nie.
Wie können wir zu mehr Ermöglichern kommen? Frankl sagte: „Ich bin ein tragischer Optimist.“ Es ist heute
Dr. Kamper, Kinder- und Jugendpsychiater benennt in der Podiumsdiskussion, dass Jugendliche in einer großen Vulnerabilität (Verletzlichkeit) stecken. Die Enge mit den Eltern, die gerade nicht die interessantesten Beziehungpartner sind. Ängste verselbständigen sich. Bei vielen kommt es zu einer Tag-Nacht-Umkehr.
Es ist wichtig, dass Jugendliche eine Ich-Stärke aufbauen. Es tut gut, Jugendlichen Geschichten zu erzählen, bei denen Jugendliche etwas geschafft haben.
Andrea Holzer-Breid, BEZIEHUNGLEBEN.AT