Der technologische Fortschritt der letzten 200 Jahre hat uns Menschen eine ungeahnte Machtfülle verschafft. „Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst“ (104). Gleichzeitig mangelt es uns an einer soliden Ethik, die uns wirklich Grenzen setzt und uns in einer klaren Selbstbeschränkung zügelt. Ein weiteres Problem ist die Konzentration der Macht, die Tatsache, dass sie in den Händen einiger Weniger liegt.
Die absurde Idee von grenzenlosem Wachstum
Mit der technologischen Entwicklung hat auch eine Weltsicht Fuß gefasst, die den Menschen getrennt von der Natur betrachtet. Als einziges Subjekt kann er sich die Dinge in der Welt nach seinen Wünschen verfügbar machen. „Deswegen haben der Mensch und die Dinge aufgehört, sich freundschaftlich die Hand zu reichen“ (106) und stehen sich nun feindselig gegenüber. Diese Weltsicht, die den Menschen allein im Zentrum sieht, zieht auch die Gesellschaft und in unseren sozialen Beziehungen in Mitleidenschaft. In der Technik geht es weder um „Nutzen noch um Wohlfahrt, sondern um Herrschaft.“ (108)
Der überentwickelte Teil der Welt
Wie wir im globalen Süden oft Gebiete als unterentwickelt bezeichnen, so können wir in den Industrieländern eine „Überentwicklung“ beobachten. Die fehlerhafte Ausrichtung, die fragwürdigen Ziele und die fehlende Spiritualität des wirtschaftlichen und technologischen Wachstums sind die tiefen Wurzeln des Ungleichgewichts und haben zu einem unannehmbaren Kontrast zwischen arm und reich, zwischen Macht und Ohnmacht geführt. Die alleinige Ausrichtung auf den maximalen Ertrag lässt die Ausbeutung der Welt zu, „ohne auf mögliche negative Auswirkungen auf den Menschen“ achten zu müssen.
Wir brauchen eine „kulturelle Revolution“ (114)
Im Gegensatz zum Blickwinkel der technischen Wissenschaften, die durch Spezialisierung an der Wirklichkeit immer nur einen kleinen Teilbereich betrachten, müssen wir wieder beginnen, das große Ganze in den Blick zu bekommen. Die Interpretation, der Mensch wäre der „Herrscher“ der Welt muss einem neuen Selbstverständnis weichen. „Alles ist miteinander verbunden“ (117) und so muss sich auch der Mensch als Teil der Schöpfung, als „verantwortlicher Verwalter“ (116) begreifen. Der Mensch muss mit seinen „besonderen Fähigkeiten der Erkenntnis, des Willens, der Freiheit und der Verantwortlichkeit“ (118) seine besondere Stellung in der Fülle der Schöpfung wahr- und ernstnehmen. Gegen die Kultur des Einweggebrauchs, die teilweise bis in die Entscheidung über menschliches Leben hineinreicht, müssen wir eine Kultur der Güte und Fürsorge entwickeln.
Der Stellenwert der Arbeit
Die Arbeit ist eine Notwendigkeit und muss einen besonderen Stellenwert bei politischen Entscheidungen bekommen. Wir müssen danach trachten, dass sich alle Menschen durch eine sinnvolle Arbeit am gemeinsamen Leben beteiligen und für ihren eigenen Unterhalt sorgen können. „Den Armen mit Geld zu helfen muss in diesem Sinn immer eine provisorische Lösung sein.“ (128) Für die Politik heißt das außerdem, dass sie die Pflicht hat, „die Kleinproduzenten und die Produktionsvielfalt klar und nachdrücklich zu unterstützen.“ Eine echte wirtschaftliche Freiheit gibt es nur dort, wo die kleinen Strukturen vor der Macht der multinationalen Konzerne geschützt werden. Die Macht der Technik muss beschränkt werden. Dafür braucht es eine ausgeprägte Ethik und eine Kultur der verantwortungsvollen Selbstbeschränkung.
Stefan Kaineder
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