Als ChristInnen schöpfen wir dabei aus dem reichhaltigen Fundus einer Jahrtausende währenden Geschichte. Von der Erzählung der Genesis bis zum Leben Jesu sind unsere „Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer Bestandteil unseres Glaubens.“ (64) Deshalb müssen wir auch mit besonderer Sorgfalt und Vorbildlichkeit auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft vorausgehen.
Die Bibel als Grundlage
Schon die Schöpfungsberichte im Buch Genesis enthalten „tiefgründige Lehren über das Menschsein und seine historische Wirklichkeit.“ (66) Sie deuten an, „dass sich das menschliche Dasein auf drei fundamentale […] Beziehungen gründet: die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde.“ (66). In den biblischen Erzählungen wird deutlich, dass diese harmonischen Beziehungen zerbrochen sind und wir können das Vorbild des heiligen Franziskus, seine Art mit der Natur und den Mitmenschen im Einklang zu Leben als eine Heilung interpretieren. Weit von diesem Vorbild entfernt zeigt sich heute in den Kriegen, in der Vernachlässigung der Ärmsten und in den Angriffen auf die Natur, dass wir begrenzte Wesen sind. Das macht uns deutlich, dass es große Anstrengung braucht, um die Harmonie in diesen drei Beziehungen wieder herzustellen.
Die Erde gehört uns nicht
Ein wesentliches Fundament im Umgang mit der Welt muss für Christinnen und Christen die Tatsache sein, dass sie uns zur Obsorge überantwortet ist, uns aber nicht gehört. Schon in den Psalmen heißt es „dem Herrn gehört die Erde“ (Ps 24,1). Wir sind als Menschen Teil der Schöpfung und deshalb auch zu einer „Beziehung verantwortlicher Wechselseitigkeit“ (67) gerufen. Das heißt aber auch, dass Gott jeden Anspruch auf absolutes Eigentum ablehnt. Privatbesitz muss immer dem Gemeinwohl untergeordnet werden. „Die Kirche verteidigt zwar den berechtigten Anspruch auf Privateigentum, lehrt jedoch ebenso unmissverständlich, dass jedes Privateigentum mit einer sozialen Hypothek belastet ist.“ (93) Damit hat für die Kirche jede Art von Privatbesitz auch eine gesellschaftliche und soziale Funktion. Denn Gott hat die Welt erschaffen, damit sie alle Menschen ernähre und nicht damit sie einigen Wenigen gehört. „Wenn sich jemand etwas aneignet, dann nur um es zum Wohle aller zu verwalten.“ (95) Dieser Grundsatz wird automatisch zu einer schweren Anfrage an die reichen Industrieländer, die „Ressourcen in solchem Maß verbrauchen, dass sie den armen Nationen und den kommenden Generationen das rauben, was diese zum Überleben brauchen.“ (95)
Der siebte Tag
Die Bibel kennt für die Nutzung der Güter der Erde auch zeitliche Grenzen und damit eine ganz eigene wirtschaftliche Logik, die die soziale Komponente des Wirtschaftens immer im Blick hat. Der siebte Tag als Ruhetag (Gen 2, 2-3), das siebte Jahr als Sabbatjahr (Lev 25, 1-4) in dem nicht gesät und nur geerntet werden soll, was der Mensch wirklich braucht. Und für jede Generation ein Jubeljahr, ein Jahr der allgemeinen Vergebung. Alle 49 Jahre soll die Schuld vergeben werden, damit jeder wieder „zu seiner Habe und zu seiner Sippe komme.“ (Lev 25, 10). Ein Jahr um zu verhindern, dass die Unterschiede zwischen dem Menschen zu groß werden und um anzuerkennen, „dass das Geschenk der Erde und ihrer Früchte dem ganzen Volk gehört.“ (71).
Wider die Macht des Stärkeren
In den biblischen Erzählungen wird deutlich: „Die Liebe ist der fundamentale Beweggrund der gesamten Schöpfung.“ (77) Diese Liebe gebietet uns einen zärtlichen Umgang miteinander und mit der Welt. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir mit der gesamten Schöpfung verbunden sind. Wir bilden eine Art universale Familie, „die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt.“ (89) Deshalb ist eine Weltsicht, die die Natur zu einem Objekt degradiert nicht nur unchristlich, sie hat auch ernste Folgen für unsere Gesellschaft. Eine Sichtweise, die die „Willkür des Stärkeren unterstützt“ (82) führt zu großer Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Gewalt. Jesus ermutigt uns im Evangelium zu einem radikalen Paradigmenwechsel: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ (Mt 20, 25-26)
Stefan Kaineder
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