Freitag 19. April 2024

Österreich soll Wehrmachtsdeserteure endlich rehabilitieren

Die Gestalter der am 1. September eröffneten Wiener Ausstellung "Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" erhoffen sich von der Schau über die NS-Militärjustiz einen Beitrag zum Bewusstseinswandel in Österreich.

Hierzulande gebe es zwar überall Denkmäler für die gefallenen "Helden" der Weltkriege, nicht aber für die Deserteure der Deutschen Wehrmacht - "das wollen wir ändern", erklärte Thomas Geldmacher vom Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" bei einer Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung am Dienstag im Wiener Nestroyhof. Nicht nur die Haltung an den Stammtischen müsse sich wandeln, auch die des "offiziellen Österreich". Geldmacher würde sich - wie er sagte - zum Beispiel eine "Kaplan Emil Bonetti-Kaserne" wünschen, benannt nach einem in Vorarlberg wegen seines sozialen Engagement hoch angesehenen, 2007 verstorbenen Dornbirner Priesters, der ebenfalls Deserteur war. Bonetti hatte im Unterschied zu vielen anderen Betroffenen aus seiner von christlicher Überzeugung getragenen Fahnenflucht nie ein Geheimnis gemacht.

 

Die ursprünglich in Berlin entstandene Ausstellung sei durch österreichspezifische Fallgeschichten "eigentlich ganz neu konzipiert" worden, hieß es bei der Pressekonferenz. Dokumentiert 
sind die Urteile sowohl von heimischen Handlangern der nationalsozialistischen Militärjustiz, als auch die Schicksale der Opfer, die "in Österreich nach wie vor nicht rehabilitiert" seien, 
so Geldmacher. Gerade Deserteure würden oft immer noch pauschal als "Feiglinge", "Verräter" oder gar "Kameradenmörder" verunglimpft. 

 

Auch das 2005 vom Nationalrat verabschiedete Anerkennungsgesetz, das u.a. Entschädigungsansprüche regelt, erwähne Deserteure mit keinem Wort und verabsäume es, die NS-Unrechtssprechung ausdrücklich als solche zu benennen.

 

 

"Österreichische Lösung" im Fall Jägerstätter

 

Dies betrifft auch in der Öffentlich weitgehend anerkannte "Ikonen" wie den wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichteten und 2007 selig gesprochenen Märtyrer Franz Jägerstätter, sagte der Politikwissenschaftler Hannes Metzler - einer der Ausstellungsmitarbeiter - im Gespräch mit "Kathpress". Das Todesurteil des Berliner Reichskriegsgerichts für den Innviertler Bauern sei in Österreich nie aufgehoben worden - im Unterschied zu 

den mittlerweile rehabilitierten, ebenfalls von den Nazis verfolgten Zeugen Jehovas. Unsauber und eine "typisch österreichische Lösung" ist laut Metzler auch die Regelung der Ansprüche für die Witwe Franziska Jägerstätter: Sie erhält Zuwendungen nicht aufgrund des 
Opferfürsorgegesetzes für anerkannte NS-Opfer, sondern gemäß der österreichischen Kriegsopferversorgung, die Angehörigen von Soldaten zukommt. Jägerstätter sei somit posthum doch noch der Deutschen Wehrmacht zugeordnet worden, so der Wissenschaftler.

Ulrich Baumann von der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" wies darauf hin, dass durch die 2007 erstmals gezeigte Ausstellung auch höchste Staatsvertreter positive Signale einer Rehabilitierung gesetzt hätten: Die noch unter dem rot-grünen Kabinett Schröder initiierte Schau sei dann von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der Regierung Merkel 
eröffnet worden. Nach den Stationen Berlin, Köln, München und zuletzt Hamburg werde die Schau nun erstmals im Ausland gezeigt.

 

Der 1922 geborene Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani beklagte bei der Pressekonferenz die in Österreich verbreitete Geringschätzung von "Fahnenflüchtigen". Nach seiner Desertation im Zuge eines strafbedingten Fronteinsatzes hatte der in Prag aufgewachsene Österreicher in der tschechischen Auslandsarmee gedient; nach Kriegsende sei er beim Arbeitsamt als Mitglied einer "fremden Armee" beschimpft worden. Heute engagiert sich der 87-jährige Wadani im 

Personenkomitee "Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" für einen Sinneswandel in der öffentlichen Meinung.

 

Fast 20.000 zum Tod Verurteilte

 

Bei der Führung durch die Ausstellung wurde deutlich, welche Ausmaße die verbrecherische NS-Militärjustiz während der Kriegsjahre 1939-1945 angenommen hatte: Wurden im Ersten Weltkrieg 48 Todesurteile im Deutschen Reich vollstreckt, davon 18 gegen Deserteure, so mussten im Zweiten Weltkrieg nicht weniger als 19.600 Verurteilte ihr Leben lassen, 15.000 davon wegen Fahnenflucht. Der aus Steyr stammende Militärrichter Leopold Breitler erließ 1944 20 Todesurteile gegen Soldaten, die sich durch Selbstverstümmelung dem Fronteinsatz entziehen wollten. Dabei war Breitler nie NSDAP-Mitglied, sondern in den dreißiger Jahren christlich-sozialer Gemeinderat; doch auch er ließ sich zum willfährigen Werkzeug einer 
verbrecherischen Justiz machen.

 

Der ORF-"Club 2" ist am 2. September (23 Uhr, ORF 2) dem Thema der Ausstellung gewidmet: Unter dem Titel "Helden oder Kriegsverräter - die Deserteure der Wehrmacht" diskutiert Gastgeber Rudolf Nagiller u. a. mit Kardinal Christoph Schönborn, dem früheren  Nationalrats-Präsidenten Andreas Khol und Richard Wadani. Der Vater des Wiener Erzbischofs desertierte 1944 in Belgien aus der Wehrmacht und diente danach der britischen Armee als Übersetzer. Kardinal Schönborn gehört zu den Persönlichkeiten, die den Ehrenschutz für 

 

(Kathpress, gec)

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