Freitag 19. April 2024

Stimmen zur Seligsprechung Franz Jägerstätters

Der anglikanische Priester Paul Oesterreicher, Pax Christi, Bischof Manfred Scheuer, sowie der Pfarrer der Votivkirche Wien, wo ein Jägerstätterfenster exisitiert, haben sich zur Seligsprechung Franz Jägerstätters zu Wort gemeldet.

"Wo sind die Jägerstätters von heute?"

Auf die weltkirchliche und historische Bedeutung der Seligsprechung von Franz Jägerstätter hat der anglikanische Priester Paul Oestreicher hingewiesen. Der langjährige Leiter des Versöhnungszentrums an der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Kathedrale von Coventry in Großbritannien nannte in einem Gastkommentar für die britische Tageszeitung "The Guardian" einige bemerkenswerte Umstände und Zusammenhänge dieser Seligsprechung: Ein österreichischer Bauer, geboren in St. Radegund unweit von Adolf Hitlers Geburtsort Braunau, werde wegen Verweigerung der Teilnahme am ungerechten Krieg Nazi-Deutschlands selig gesprochen, und zwar "auf Geheiß eines deutschen Papstes". Zugleich stellte der anglikanische Kanonikus, der aus einer deutschen jüdischen Familie stammt, die provokante Frage: "Wo sind die Jägerstätters von heute?"

 

Den Boden für die Seligsprechung Jägerstätters habe auch das Zweite Vatikanische Konzil bereitet, indem es Kriegsdienstverweigerung als gültigen Ausdruck katholischen Glaubens anerkannte, erinnerte Oestreicher. Maßgeblich habe daran der englische Jesuit und spätere Erzbischof von Bombay, Thomas Roberts (1893-1976), mitgewirkt, so der ehemalige Domdekan von Coventry. Auf dem Hintergrund der historischen Tatsache, dass katholische Bischöfe Hitlers Angriffskrieg unterstützt hätten, Militärkapläne dem selbsternannten "Führer" Gefolgschaft schworen und Christen auf beiden Seiten "mit ruhigem Gewissen kämpften", sei die Seligsprechung Jägerstätters "eine historische Kehrtwendung". Oestreicher: "Die Kirche anerkennt, dass dieser Kriegsdienstverweigerer ein wahrhafter Märtyrer war. Dafür gibt es keinen zeitgenössischen Präzedenzfall".

 

Der anglikanische Geistliche würdigt Jägerstätters "erstaunliche Klarsicht" und seinen Mut. Seine Einsicht, dass er nicht beiden - Hitler und Jesus - dienen kann, sei bei Jägerstätter über mehrere Jahre der Auseinandersetzung mit Leben und Lehre Jesu gereift. Von allen denkbaren Seiten - Familie, Freunde, Kirche - sei er gedrängt worden, seine Haltung zu ändern. Er sei bei seiner Haltung geblieben, weil er "ein kluger Christ war, der seine Bibel kannte". So habe er dem Argument, dass er zuallererst seiner Familie verpflichtet sei, die Frage entgegengehalten, ob diese Pflicht bedeute, andere Ehemänner und Väter zu töten. Seine Frau Franziska habe Franz Jägerstätter in seiner Haltung unterstützt und ihn bis zum bitteren Ende begleitet.

 

Eine Gruppe von Ordensfrauen habe nach dem Krieg die sterbliche Hülle Jägerstätters in sein Heimatdorf zurückgebracht, so Oestreicher weiter. Danach habe über viele Jahre "betretenes Schweigen" geherrscht. "Weder die Gesellschaft noch die Kirche wollten etwas wissen. Der Bischof, der ihn von seiner Haltung abzubringen versucht hatte, untersagte nun jede öffentliche Anerkennung, denn sie könnte jene beschämen, die gekämpft haben", so Kanonikus Oestreicher.

 

Das habe sich erst geändert, als der US-amerikanische Soziologe Gordon Zahn 1964 die Geschichte Jägerstätters publizierte, unter dem Titel "In Solitary Witness. The Life and Death of Franz Jägerstätter". Das Grab des Märtyrers sei von da an immer mehr zu einer Pilgerstätte geworden. Die Kirche habe "langsam gelernt", nun aber werde Franz Jägerstätter als Vorbild für heute präsentiert. "Ungerechte Kriege gehören nicht der Vergangenheit an. Wo sind die Jägerstätters von heute", so Oestreicher.

 

Paul Oestreicher, 1931 in Thüringen geboren, musste auf Grund der jüdischen Abstammung seines Vaters mit seiner Familie 1939 Deutschland verlassen. Er wuchs in Neuseeland auf. 1960 empfing er in London die anglikanische Priesterweihe. Von 1985 bis 1997 war er Domkapitular und Leiter des internationalen Versöhnungszentrums an der von deutschen Bomben zerstörten Kathedrale von Coventry. Er engagiert sich bis heute auf vielfache Weise für Friede, Versöhnung und Menschenrechte. Er leitete im britischen Kirchenrat von 1964 bis 1980 das Osteuropareferat, war Vorsitzender der britischen Sektion von "Amnesty International" und förderte die Beziehungen zu den Kirchen in der ehemaligen DDR und in Südafrika. Seit 1986 ist er Vizepräsident der CND (Campaign for Nuclear Disarmament), der führenden Friedensbewegung Großbritanniens. Zudem ist er einer der Vereinsgründer der "Dresden Trust", die den britischen Anteil zum Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden beisteuerte.

 


Scheuer: Den ganzen Menschen sehen

 

Der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer - der "Postulator" im Linzer diözesanen Seligsprechungsverfahren für Jägerstätter war - betonte in einem Interview mit der Kirchenzeitung "Tiroler Sonntag", dass man an dem Märtyrer nicht nur die Verweigerung des Kriegsdienstes sehen dürfe. Es gehe vielmehr darum, die ganze Persönlichkeit in den Blick zu nehmen: "Dazu gehören besonders auch seine Ehe, seine Familie, sein Glaube und seine Mündigkeit". Jägerstätter sei nach und nach in seinem Glauben gereift, auch in seiner Beziehungsfähigkeit zu seiner Frau und als Familienvater, betonte Bischof Scheuer. Der spätere Märtyrer habe eine sehr glückliche Ehe geführt, er habe mit seiner Frau gebetet und mit ihr im Evangelium gelesen und er habe sein Leben an der Eucharistie orientiert. Weil er täglich zur Messe ging, sei er auch Mesner geworden.

 

Der Bischof hob auch hervor, dass sich Jägerstätter, was damals kaum üblich war, als Vater sehr liebevoll um seine Kinder gekümmert hatte. Scheuer: "Er hat damit vorweg genommen, was erst Jahrzehnte später in das Bewusstsein der Väter gesickert ist".

 

Trotz aller Unterschiedlichkeit der Situationen habe das Lebenszeugnis von Franz Jägerstätter auch für Soldaten von heute Bedeutung, sagte Scheuer. Grundsätzlich sei klar zu sagen, dass man den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus nicht einfach mit der Gegenwart vergleichen könne. An Jägerstätter lasse sich aber die klare Position ablesen, "dass Gewalt kein Weg sein kann, um eigene Machtinteressen durchzusetzen".

 

Jägerstätter habe den Krieg gegen Polen und Russland klar als Angriffskrieg durchschaut, in dem es um materielle Interessen ging. Im Hinblick auf Soldaten von heute heiße das, "dass sie sich als Diener des Friedens und Wahrer des Rechts zu verstehen haben". Scheuer unterstrich, dass Jägerstätter kein Wehrdienstverweigerer an sich gewesen sei. Er sei der Meinung gewesen, dass Österreich 1938 das Recht auf Selbstverteidigung gehabt habe. Jägerstätter gehe es vielmehr um ein Nein zu einem ungerechten Krieg.

 

 

"Unaufgebbare Freiheit des Menschen"

 

Auch die katholische Friedensbewegung "Pax Christi" Österreich erhofft von der Seligsprechung Jägerstätters wertvolle Impulse. Es werde eine Gewissensentscheidung gegen Lebensverachtung und Töten und für gewaltlose Solidarität als vorbildhaft christlich gewürdigt. Vor die Wahl gestellt, andere in einem ungerechten Krieg zu töten oder selbst getötet zu werden, habe Jägerstätter sich für das Leben der anderen entschieden. In diesem Akt der Verweigerung bis zum Tod werde exemplarisch die unaufgebbare Freiheit des Menschen sichtbar.

 

Mit der Seligsprechung Jägerstätters würden überdies auch andere Kriegsdienstverweigerer des Zweiten Weltkriegs gewürdigt. Außerdem werde bekräftigt, dass das in Gott verortete Gewissen über jede staatliche Pflicht zu stellen ist.

 

"Pax Christi" wendet sich gegen die von manchen vorgetragene Behauptung, dass mit dieser Seligsprechung die sogenannte Kriegsgeneration pauschal verurteilt werde. Viele Soldaten hätten ihren Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht nicht aus Überzeugung und nicht als stramme Gefolgsleute des Nationalsozialismus und seiner rassistischen und großdeutschen Ideologie geleistet. Sie wären vielmehr auch Opfer der totalen NS-Propaganda oder einer Erziehung zu unbedingtem Gehorsam gegenüber Autoritäten gewesen. Franz Jägerstätter selbst habe betont, dass er in keiner Weise ein Urteil über andere fällen wolle, die nicht so handeln könnten wie er. Dies mindere nicht die prophetische Kraft von Jägerstätters handeln, so "Pax Christi".

 


Jägerstätter-Fenster in der Votivkirche

 

Im Zusammenhang mit der Seligsprechung von Franz Jägerstätter hat der Pfarrer der Wiener Votivkirche und Tourismusseelsorger der Erzdiözese Wien, Joseph Farrugia, an das Jägerstätter-Fenster im berühmten "Ringstraßendom" erinnert. Das Fenster aus den sechziger Jahren ist das erste Sakralkunstwerk überhaupt, das das Martyrium des oberösterreichischen Bauern aufgreift.

 

Im Zweiten Weltkrieg waren alle Fenster der Votivkirche zerstört worden. Nach dem Krieg wurden die Fenster provisorisch verglast. Im Zuge einer umfangreichen Kirchenrestaurierung 1960-73 wurde eines der neuen Fenster, die von den akademischen Malern Hans Schweiger und Christine Räntz-Feldmann stammen, mit dem Thema Widerstand und Franz Jägerstätter gestaltet. Initiator war der damalige Propst Anton Maria Pichler.

 

Pichler, der mit namhaften katholischen Akademikern wie Prof. Kurt Schubert (1923-2007) in Kontakt stand, hatte damals selbst das Fensterprogramm mit Persönlichkeiten aus der österreichischen Kirchengeschichte in Auftrag gegeben. So findet sich u.a. auch ein Fenster über Hildgard Burjan (1883-1933), die nächstes Jahr selig gesprochen werden soll.

 

Begonnen wurden die neuen Fenster in der Bischofskapelle, beendet wurden sie 1972/73 in der Kreuzkapelle. Hier nehmen die Fenster - im Sinne der ursprünglichen Bestimmung der Kirche als Garnisonskirche - auf heilig gesprochene und heiligmäßige Soldaten Bezug.

 

Für das Fenster beim Altar der Kreuzkapelle hatte Propst Pichler von der 1967 verstobenen Kammersängerin Maria Nemeth eine Summe geerbt. Er verzichtete auf die Auszahlung unter der Bedingung, dass davon jenes Fenster bezahlt werde, das Franz Jägerstätter darstellt.

Das Fenster entstand, als das 1964 in den USA erschienene Buch von Gordon Zahn über Jägerstätter ("In Solitary Witness") auf deutsch herauskam. Der Historiker Friedrich Heer hatte dieses Buch bereits 1964 gelesen und es danach Kardinal Franz König und Prof. Schubert geschenkt, die auf diesem Weg - wie viele andere Österreicher, u.a. der Regisseur Axel Corti - erstmals von Jägerstätter erfuhren.


(Kathpress, gec)

 


Franz Jägerstätter: Ein großes Vorbild für die Katholische Jugend

 

Franz Jägerstätter ist ein Symbol für Zivilcourage und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die Katholische Jugend Österreich (KJÖ) misst seinem Handeln, das bis in die Gegenwart wirkt, hohe Bedeutung bei.

 

„Die Seligsprechung am Nationalfeiertag im Linzer Mariendom ist ein wichtiges Signal an unsere Gesellschaft, aber auch an die Kirche. Franz Jägerstätter ist ein wahrer Märtyrer des Gewissens“, meint Stefan Wurm, Vorsitzender der KJÖ.

 

Jägerstätter war ein Mensch, der mit klarem Blick die Ereignisse seiner Zeit zu deuten verstand. Er erkannte, dass Christentum und Nationalsozialismus nicht miteinander vereinbar sind und verweigerte standhaft, zum Kollaborateur des menschenverachtenden Systems zu werden. Besonders bewundernswert ist seine Treue dem eigenen Gewissen gegenüber, da selbst Geistliche ihm in eine andere Richtung rieten.

 

„Franz Jägerstätters Entscheidung war ein Akt der Zivilcourage; und die war nicht nur in der Vergangenheit wichtig, sondern sie bleibt eine Aufgabe für die Gegenwart. In einer Zeit, in der ’rechtsextremes und ausländerfeindliches Gedankengut ein beängstigendes Hoch’ erlebt, darf Organisationen, die mit diesen Inhalten sympathisieren, keine Bühne geboten werden“, so Stefan Wurm.

 

Jägerstätter ist ein Vorbild zum Anfassen und zeigt, wie man mit Zähigkeit Angriffe gegen die eigene Position aushalten kann. Konkret können junge Menschen von ihm lernen, wachen Herzens die Vorgänge unserer Welt zu verfolgen, reifen Gewissens Dinge zu beurteilen und demgemäß zu handeln.

 

Franz Jägerstätters Handeln ist für die Katholische Jugend Maßstab für die Begleitung von jungen Menschen auf ihrem Lebens- und Glaubensweg. Mit Freude sehen wir seiner Seligsprechung entgegen und hoffen, dass sich viele Menschen von ihm inspirieren lassen.

 

(kj, gec)

 

 

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