Mittwoch 24. April 2024

Franz Jägerstätter: Die Geschichte des Seligsprechungsprozesses

Die Darstellung einer bewegten Geschichte.

 

In den Jahren nach 1938 waren die Menschen in St. Radegund „nahezu immun“(Ge-Denken 91) gegen den Nationalsozialismus. Dieses Klima erlaubte es Franz Jägerstätter jahrelang gegen das Regime aufzutreten. Die Gemeindeleitung betrieb 1940/41 die Freistellung Jägerstätters vom Militärdienst.

Am 9. August 1943 wurde Franz Jägerstätter in Brandenburg an der Havel wegen Wehrkraftzersetzung enthauptet. „Vom Abend dieses Tages an sprach seine Entscheidung und es wurde über seine Tat gesprochen. Seit seinem Todestag laufen aber auch Versuche, die Erinnerungen an diesen Mann zu unterdrücken. Seiner Frau war es verboten eine Todesanzeige zu drucken.“ (Ge-Denken 94)

Der zuständige Pfarrer Heinrich Kreutzberg nahm sofort nach der Hinrichtung Franz Jägerstätters mit Franziska Jägerstätter Kontakt auf. 1948 veröffentlichte er einen Artikel über Jägerstätter. Kreutzberg wie auch der zweite Seelsorger Pfarrer Jochmann sahen in Jägerstätter einen Heiligen und Märtyrer.


Durch Kreutzberg stieß der amerikanische Soziologe und Wehrdienstverweigerer Gordon C. Zahn auf Jägerstätter. Seine 1964 erschienene Biografie machte das Leben des Österreichers international bekannt. Durch die deutsche Übersetzung 1967 wurde Jägerstätter auch in Österreich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

 

1945 versuchte Pfarrer Josef Karobath aus St. Radegund über das Bischöfliche Ordinariat die Öffentlichkeit auf Franz Jägerstätter aufmerksam zu machen. Am 11. August 1945 schrieb Franz Vieböck, damals Generalsekretär des Seelsorgeamtes der Diözese Linz, zurück, dass Jägerstätter zwar persönlich ein Heiliger sei, Bischof Fließer aber eine Veröffentlichung seines Lebens und Sterbens ablehne. Bei aller Achtung vor dessen subjektiver Haltung könne er nicht als objektiv gültiges Vorbild für seine Haltung zur Militärpflicht hingestellt werden. Im Jahr 1965 verwies Erzbischof Thomas D. Roberts SJ aus Indien bei der Arbeit an der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils in einer schriftlichen Eingabe auf die Gewissensentscheidung Jägerstätters.

 

Im Linzer Kirchenblatt im August 1967 würdigte Seelsorgeamtsleiter Franz Vieböck Franz Jägerstätter und zeigte auch die Probleme einer Würdigung auf: „Das Lebensbild Jägerstätters, das jeder bewundern muss wegen seiner Konsequenz, mit dem der einfache Innviertler Bauer seinem Gewissen gefolgt ist. Zahn wundert sich, dass die kirchlichen Behörden auch 1946 noch gezögert haben, Jägerstätter als den Helden hinzustellen. Zehntausende Kriegsgefangene, die 1945 bis 1948 allmählich heimkehrten, wären durch eine solche Stellungnahme vor den Kopf gestoßen gewesen.“ 


Der Dokumentarfilm unter der Regie von Axel Corti „Der Fall Jägerstätter“, gesendet am Nationalfeiertag 1971, brachte eine österreichweite Diskussion ins Rollen. Immer wieder wurde die Frage diskutiert: Hat Jägerstätter richtig gehandelt? Es wurde behauptet, dass Jägerstätter von Friedensgruppen, Wehrdienstverweigerern, Zivildienern missbraucht wurde.


Auch der damalige Linzer Bischof Franz Salesius Zauner stand Jägerstätter distanziert gegenüber. Die römische Kurie befürchtete mit der Verehrung Jägerstätters eine zu starke Präferenz des Parzifismus.

 

Ab 1978 gab es eine intensivere Beschäftigung mit Jägerstätter in der Linzer Kirchenzeitung. Ab 1979 beschäftigte sich Dr.in Erna Putz/Ostermiething intensiv mit Leben und Schriften Jägerstätters und publizierte zahlreiche Bücher. Darunter die ausführliche Biografie „Franz Jägerstätter. Besser die Hände als der Wille gefesselt“ und die Veröffentlichung der Aufzeichnungen und Briefe Franz Jägerstätters.


Putz organisiert seit 1983 am Todestag Jägerstätters einen Gedenktag in Ostermiething. Heute zählt ein Interessentenkreis von 800 Personen verschiedenen Alters und aus vielen Ländern der Welt dazu. Putz hielt ab 1985 unzählige Vorträge zu Franz und Franziska Jägerstätter in Schulklassen, Mesnergemeinschaften und bei interessierten wie kritischen Gruppen in Österreich, Schweiz, Italien, Holland, Großbritannien, USA,… 
Ab 1985 wurde in der ehemaligen DDR eine Ausstellung zu Jägerstätter erarbeitet und Kontakt zu Österreich hergestellt. 
Das ehemalige Wohnhaus in St. Radegund wurde Gedenk- und Begegnungsstätte in der vor allemFranziska Jägerstätter Menschen von ihrem Mann erzählte.


Die Gemeinde St. Radegund gedenkt jedes Jahr am Geburtstag, 20.Mai Franz Jägerstätters.

Bei der Diskussion um Jägerstätter wurden starke Gefühle der Kriegsgeneration eingebracht.
Immer wieder wurde betont, dass der einzelne Soldat nur seine Pflicht getan habe, dass die Katholische Kirche hier auch mitgetan habe. Frauen, die Männer und Söhne im Krieg verloren hätten, klagten an, Jägerstätter habe seine Familie im Stich gelassen. Zahlreiche Menschen berichteten aber auch, dass die Glaubens- und Gewissensentscheidung Jägerstätters für sie eine Stärkung sei. Dadurch könnten sie ihre Traumata des Krieges besser verarbeiten. Ein ehemaliger Soldat sagte 1988 bei einem Jägerstätter-Treffen: „Ich habe am 9. April 1945 einen Fahnenflüchtigen festnehmen lassen. Ich war Anlass für seine Hinrichtung. Ich habe lange gebraucht. Aber jetzt bin ich da.“

 

In den 80er Jahren wurde den Zivildienern und Friedensaktivisten vorgeworfen, sie verzwecken und missbrauchen Franz Jägerstätter. Starke Kritik wurde auch an der Diözese Linz geübt, die sich ab Mitte der 80er Jahre mehr und mehr zu Franz Jägerstätter unter Bischof Maximilian Aichern bekannte. Zahlreiche Diskussionen über Gedenkstätten in ganz Oberösterreich zogen sich zum Teil über Jahre hin.

 

Ab 1989 wurden im Auftrag von Bischof Aichern Personen, die Franz Jägerstätter gekannt haben, als Zeugen einvernommen. Nach unterstützenden Voten der Österreichischen Bischofskonferenz, einer historisch-theologischen Kommission und des Linzer Domkapitels wurde 1997 offiziell der Seligsprechungsprozess für Franz Jägerstätter eröffnet, am 21. Juni 2001 auf diözesaner Ebene abgeschlossen und die Akten nach Rom zur Selig- und Heiligsprechungskongregation übergeben. Wichtig für diesen Prozess war die theologische Arbeit des heutigen Bischofs Dr. Manfred Scheuerüber das Martyrium Jägerstätters.

 

Im Jahr 2005 wurde im Vatikan das Martyrium Jägerstätters anerkannt. Am 4. November 2005 brachte Kardinal Dr. Christoph Schönborn gemeinsam mit weiteren österreichischen Bischöfen und unter Beisein einer Delegation aus St. Radegund und Ostermiething einen Originalbrief Jägerstätters in die Kirche San Bartolomeo in Rom, die Papst Johannes Paul II. dem Gedenken an den Märtyrer des 20. Jahrhunderts gewidmet hat. Bischof Scheuer nannte Jägerstätter bei seiner Predigt in San Bartolomeo einen „einsamen Zeugen des Gewissens. Ein Prophet mit Weitblick und Durchblick“. Als Zeuge des Glaubens und der Gerechtigkeit und mit seiner großen Liebe zur Eucharistie sei Jägerstätter ein Geschenk für das österreichische Volk, aber auch ein Geschenk für die ganze Kirche.


Der Vatikan und Papst Benedikt XVI haben am Freitag, 1. Juni 2007 offiziell das Martyrium von Franz Jägerstätter (1907-43) bestätigt. Das bedeutet, dass nun die Seligsprechung von Franz Jägerstätter geplant werden kann. Mit der Veröffentlichung des Dekrets ist das Seligsprechungsverfahren für Franz Jägerstätter abgeschlossen. Nun müssen noch Datum und Ort der Seligsprechung festgelegt und der bevollmächtigte Vertreter des Papstes bestimmt werden, der den feierlichen Akt der Kanonisation im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes vornimmt. 

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