Sonntag 22. September 2024

Franz Jägerstätter: Ein Bote des Evangeliums

Über die Seligsprechung in der Katholischen Kirche.

Franz Jägerstätter war Ehemann, Vater, Verwandter, Nachbar, Mesner, Angehöriger des 3. Ordens des hl. Franz von Assisi, ein Prophet mit einem Weitblick und Durchblick, wie ihn damals die wenigsten seiner Zeitgenossen hatten. Sein prophetisches Zeugnis für die christliche Wahrheit beruhte auf einer klaren Analyse der Barbarei des menschen- und gottverachtenden Systems des Nationalsozialismus, dessen Rassenwahn, dessen Ideologie des Krieges wie dessen Vernichtungswillen gegenüber Christentum und Kirche. Seine Entscheidung und sein Schicksal bewegten von Anfang an: Gefängnispfarrer und Ordensschwestern sahen in ihm gleich nach der Hinrichtung einen Heiligen und Märtyrer. Ausgehend von den USA wurde er zum Vorbild in der Treue zum Gewissensanspruch; auf dem II. Vatikanischen Konzil wurde er in die Debatte um die Gewissensfreiheit ins Spiel gebracht. An seiner Person und Entscheidung reiben sich viele. Nicht wenige sehen in ihm einen Anwalt der Gewaltlosigkeit, einen Warner vor Ideologien, eine Orientierungshilfe in schwieriger Zeit, einen gerechten Zeugen der Wahrheit in einer ungerechten Zeit, einen gläubigen Menschen, dem Gott wirklich Mitte und Zentrum des Lebens war. Er wird als Fürsprecher angerufen und als Vorbild angenommen.

 

 

Bote des Evangeliums

„Semen est sanguis Christianorum. — Ein Same ist das Blut der Christen“ (Tertullian, Apologie 50,13). Franz Jägerstätter ist auch heute ein Bote des Evangeliums, ein Glaubender an Gott als den Herrn und Freund des Lebens, ein Hoffnungsträger, dass Gewalt in der Geschichte nicht das letzte Wort hat. Das Gedenken an ihn fördert den Widerstand gegen Vergesslichkeit, Unempfindlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern. Die Erinnerung an ihn ist „gefährliche“ Erinnerung an den Ruf zur Nachfolge, an die neue Gerechtigkeit, wie sie in der Bergpredigt und im Liebesgebot aufbricht.

 

 

Hintergrund Selig- und Heiligsprechungen

Selig- und Heiligsprechungen stehen in einem Netz von Erwartung, Gleichgültigkeit und Skepsis. Sie entspringen dem „Sensus fidelium“, der Glaubenserkenntnis der Gläubigen, und greifen auf, was in vielfältiger Weise an liebender Verbundenheit und Freundschaft, an Kraft und Trost durch Gebet um Fürbitte, durch Herausforderung und Provokation zur Nachfolge gewachsen ist. Auf diesem Boden ist eine Seligsprechung dann „das feierliche Urteil des Papstes über das geglückte Leben und Sterben von Christen, die dem Vorbild besonders gefolgt sind und durch das Vergießen ihres Blutes (Märtyrer) oder durch heroische Tugendübung (Bekenner) ein hervorragendes Zeugnis für das Himmelreich abgelegt haben.“ (AAS 75 [1983],349). In diesem Sinn will eine Selig- bzw. Heiligsprechung die Hoffnung der Menschen stärken und Selige bzw. Heilige als Vorbilder und Fürsprecher geben (Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 828).

Sicher gibt es nicht wenige Missverständnisse: Heilige stehen nicht in Konkurrenz zur Mittlerschaft Christi, sondern stellen diese in der jeweiligen Zeit dar. Bei der Verehrung von Menschen geht es nicht um Anbetung, die allein Gott gebührt. Heilige sind nicht vorrangig moralische Imperative oder Ideale, sondern zuerst die Verwirklichung der Heilszusage Jesu Christi. Heilige sind keine Elite, angesichts derer gewöhnliche Menschen in ihrer Suche nach Heiligkeit resignieren müssten. Bei Selig- und Heiligsprechungen geht es nicht um Fragen des Geldes, der kirchlichen Macht oder des politischen Einflusses. Die Überzeugung von der Heiligkeit der Kirche darf auch kein Alibi dafür sein, um sich vom Eingeständnis der Schuld, von Reue und Umkehr zu dispensieren.

 

 

Biblische Wurzeln

In der biblischen Tradition ist Gott allein der Heilige und Jesus Christus, der das Reich Gottes in Person vergegenwärtigt, der „Heilige Gottes“ (Mk 1,24; Joh 6,69). Er ist der Weg zum Vater und der treue Zeuge des heiligen Gottes. In Jesu Leben, Tod und Auferstehung wird das Reich Gottes erlösend und befreiend, personal und sozial, psychisch und leiblich sichtbar. Der Heilige Geist beschenkt Menschen mit Heiligkeit und beruft sie zur Heiligkeit (1 Thess 4,3). Menschliche Heiligkeit ist keine Leistung aus eigener Kraft und keine Selbsterlösung, sondern mitvollzogenes Wirken Gottes. Gott ist es, der gibt, aber er gibt zum Tun. Gott befähigt zum Mittun. „Wir sind Gottes Mitarbeiter.“ (1 Kor 3,9) Mit der Rede menschlicher Heiligkeit wird deutlich, dass Gottes Lebenskraft nicht ins Leere geht, dass seine Gabe nicht zum Frust da ist und seine Gnade nicht vergeblich ist (Mt 25,14-30; 1 Kor 15,10).


Das Zweite Vatikanische Konzil betont die Berufung aller Christen zur Heiligkeit (Kirchenkonstitution Nr. 39). Der Mensch gewinnt seine Identität, wenn er seine Berufung als Abbild Gottes in der Nachfolge Jesu und in der Offenheit für den Geist Gottes verwirklicht. Das ist nicht privatistisch oder rein jenseitig misszuverstehen, denn Heiligkeit zielt auch auf eine humane und solidarische Weise zu leben. Die Heiligen und ihre Verehrung können zu Medien der Hoffnung auf Befreiung und Gerechtigkeit werden.

 

Heiligsprechung und Heiligenverehrung sind Ausdruck der Solidarität zwischen den in Gott Vollendeten und denen, die als „Pilger“ unterwegs sind. Sie sind Zeichen liebenden Gedächtnisses, der Ermutigung zur Nachfolge, der gemeinsamen Anbetung in der Liturgie, des Trostes in Leid und Verfolgung. In der Begegnung mit den Heiligen gilt es, die eigene Gottebenbildlichkeit je neu zu bedenken und zu realisieren. Die von Jesus repräsentierte Wahrheit des Reiches Gottes und der Gemeinschaft der Heiligen wird im Geist der Seligpreisungen lebendig. Eines muss auch klar sein: Verlieren die Heiligen ihre vorbildhafte Wirkung, gehen die Bilder der Heilshoffnung auf säkulare Idole über.



Feier der Seligsprechung

Bis zum 11. Jahrhundert erfolgte die Festlegung der kultischen Verehrung von Märtyrern und Bekennern in den Ortskirchen. Danach wurde es zum Kompetenzbereich des Papstes zugeordnet. Die Seligsprechung (Beatifikation) wurde seit Paul VI. immer vom Papst selber in Rom durchgeführt. 


Papst Benedikt XVI. ordnete im Mai 2005 an, dass er künftig nicht mehr persönlich den Seligsprechungsfeiern vorstehen werde. Es solle dadurch der Unterschied zwischen Selig- und Heiligsprechung wieder mehr hervorgestrichen werden und die Ortskirchen sichtbarer in den Prozess einbezogen werden.


Die Seligsprechungsfeier soll laut Erklärung der Selig- und Heiligsprechungskongregation vom 29. September 2005 in der Diözese, die den Prozess betrieben hat, stattfinden. Der Ritus wird im Rahmen einer Eucharistiefeier vorgenommen. Die Seligsprechung erfolgt während der Messe nach dem Bußritus und vor dem Gloria.

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