Mittwoch 24. April 2024

Wortlaut der Predigt von Bischof em. Maximilian Aichern

Erste Eucharistiefeier im Gedenken an den Seligen Franz Jägerstätter, 28. Oktober 2007, Pfarrkirche St. Radegund.

Les.: Sir 35,15b-22a und 2 Tim 4,6-8.16-18; 
Ev.: Lk 18,9-14


Liebe geschätzte Mitbrüder Bischöfe, Priester und Diakone!
Sehr geschätzte liebe Frau Jägerstätter, liebe Töchter des neuen Seligen und Angehörige!

Lieber Pfarrer, lieber Diakon und liebe pfarrliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, liebe geistliche Schwestern, geschätzter Bürgermeister, Gemeinderäte, Bewohner von St. Radegund und Vertreter der Öffentlichkeit, liebe Schwestern und liebe Brüder aus dem Ausland und aus dem Inland!

 

Wir sind noch immer tief bewegt von den Feierlichkeiten der Seligsprechung von Franz Jägerstätter am 26. Oktober im Linzer Mariendom. Wir freuen uns, dass nach eingehenden Untersuchungen und Prüfungen der Märtyrer und Familienvater Franz Jägerstätter „fortan als Seliger angerufen werden kann“, wie Papst Benedikt XVI. im Apostolischen Schreiben feierlich erklärt. Wir feiern heute hier in Jägerstätters Heimatpfarre die erste Eucharistiefeier im Gedenken an den neuen Seligen.

 

Die Messperikopen vom heutigen Sonntag erinnern daran, dass Gott dem seligen Märtyrer Franz die Kraft gegeben hat, bis in den Tod für den Glauben und für die Gerechtigkeit einzutreten. Unser Dank geht an Gott, der allen Zeiten seine Propheten und Glaubenszeugen schenkt, der für Recht und Gerechtigkeit sorgt, wie wir in der ersten Lesung gehört haben, zu dem das Flehen der Armen durch die Wolken dringt. Die Worte der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Timotheus können wir mit Recht dem Märtyrer in den Mund legen: „Ich werde nunmehr geopfert… Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten… Alle haben mich im Stich gelassen, aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft. Der Herr wird mich in sein himmlisches Reich führen“. Die Lesung weist darauf hin, dass auch für alle, die in Liebe auf Gottes Erscheinen warten, der Kranz der Gerechtigkeit bereit liegt.

 

Das Evangelium mit dem Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner erinnert daran, dass sich Franz Jägerstätter nicht selbst erhöht hat. Er ist vielmehr einen harten, mühsamen Weg gegangen, einen Weg der Bekehrung, der immer klareren Erfassung des Glaubens und des Auftrags Gottes. Er hat sich nicht mit anderen verglichen und diejenigen, die sich anders entschieden haben, nicht kritisiert oder verurteilt. Das Evangelium erinnert auch daran, dass Gott die Kleinen und Unscheinbaren liebt und beruft.

 

Wir fragen uns, was die Seligsprechung des Familienvaters, Bauern und Mesners Franz Jägerstätter heute und für uns bedeutet:

 

Es ist ein Zeichen unseres Glaubens an die Auferstehung und das ewige Leben. Wir glauben daran, dass wir hineingenommen sind in Jesu Tod und Auferweckung. Der Taufstein hier in St. Radegund, an dem vor 100 Jahren Franz Jägerstätter getauft wurde, und das sich nun anschließende Taufgedächtnis erinnern uns an diese Gemeinschaft mit Christus, die es immer mehr zu entfalten gilt und aus der Jägerstätter sein Leben und Sterben gestaltet hat.

 

Es ist ein weiters Zeichen unseres Glaubens an die Gemeinschaft der Heiligen, wie wir im Credo bekennen. Wir wissen uns auch über den Tod hinaus mit Gott verbunden und durch ihn auch mit unseren lieben Verstorbenen, mit den bekannten und unbekannten Heiligen, deren Fest wir in der kommenden Woche feiern. Die Seligsprechung Franz Jägerstätters erinnert uns daran, dass Heilige und Selige nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart sind. Bei vielen Gelegenheiten spüren wir ihn als Gatten, als Vater, als Großvater, als Nachbar, als Freund und als Landsmann neben uns. Seine sorgfältig von seiner Gattin gesammelten und von Frau Dr. Putz dokumentierten Schriften machen auch heute seine Anliegen lebendig.

 

Der selige Franz Jägerstätter hat uns Heutigen viel zu sagen. Er ist und bleibt eine Provokation. Er ist uns ein Vorbild für christliche Gewissensentscheidung, für Zivilcourage, wie die Katholische Aktion unserer Diözese in einer Erklärung festgestellt hat, ein Vorbild für das Ernstnehmen des Glaubens auch unter schwierigsten Umständen. Er hat intensiv um die Bildung seines Gewissens gerungen, in Gesprächen mit seiner Gattin, seinen Angehörigen, mit vielen anderen Menschen, auch in Gesprächen mit Priestern wie den Pfarrern Karobath und Fürthauer, die viele von uns noch gekannt haben, auch ich, sowie dem damaligen Linzer Bischof Josef Kalasanz Fließer. So manche Antworten erhielt er aus damaligem Zeitdenken heraus.

 

Mit Recht wird heute der neue Selige, besonders von der Jugend, als Leitfigur im Kampf gegen menschenfeindliche Ideologien und gegen Gewalt angesehen. Er hat das gott- und kirchenfeindliche NS-Regime enttarnt und prophetisch jene gewarnt, die allzu arglos in den Zug eingestiegen waren, der in die Katastrophe führte. Es rollen auch heute noch viele Züge in die Richtung, in die damals die Weichen gestellt wurden, wenn wir etwa an Nationalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit denken. Wir brauchen auch heute die Signale eines Franz Jägerstätter.

 

Eine Seligsprechung bedeutet, dass das Leben und Sterben eines Menschen geglückt ist, durch Glaube geglückt ist. Bei Franz Jägerstätter ist es Einsicht und Anerkennung nach einem langen Ringen in Kirche und Gesellschaft um seine Person. Er wurde von vielen lange nicht verstanden. Eine neue Sicht brachte seine Erwähnung beim II. Vatikanischen Konzil als Beispiel christlicher Gewissensentscheidung. Es bedurfte vieler Gespräche, Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit, für die ich als einstiger Linzer Diözesanbischof allen Beteiligten, wirklich sehr vielen Beteiligten, aufrichtig, sehr aufrichtig danke. Wir können die Seligsprechung auch menschlich als späte Wiedergutmachung ansehen, als Anerkennung für die Familie und die Gattin, die in schwierigsten Situationen zu ihm gestanden ist. Ihre Liebe und ihr Glaube haben ihn in seinem geistlichen Weg intensiv unterstützt.

 

Die Seligsprechung ist ein wichtiger religiöser Impuls für unsere Diözese und weit darüber hinaus. Sie kann in der Aufarbeitung der Vergangenheit ein Beitrag zum Weg der Versöhnung, der Entgiftung und Entfeindung sein, wie Bischof Manfred Scheuer in seinem neuen Buch „Selig, die keine Gewalt anwenden – das Zeugnis des Franz Jägerstätter“ schreibt. Sie möge zur Stärkung des Glaubens und der Hoffnung der Menschen beitragen, uns Mut geben, Gott mit  ungeteiltem Herzen uns zuzuwenden.

 

Beeindruckend an Jägerstätter ist seine intensive Beschäftigung mit der Bibel und wie sehr er Kraft aus dem Gebet und dem Ehesakrament schöpfte. Seine Briefe geben Einblick in die Tiefe seines Glaubens. Er hat die Zeichen der Zeit erkannt und Konsequenzen gezogen.

 

Christinnen und Christen wie Franz Jägerstätter sind ein Stück Evangelium, das im Leben verwirklicht ist. Erst heute wird uns richtig bewusst, wie sehr seine Standhaftigkeit, sein Leiden und sein Tod - ebenso wie bei den anderen Glaubenszeugen - für uns alle geschehen ist, für uns alle Bedeutung hat. Es ist ein Teil jener Liebe unseres Herrn Jesus Christus, der auch sein Leben eingesetzt und hingegeben hat.

 

Der neue Selige möge beitragen zum Abbau menschenverachtender Systeme und Todesmaschinerien, zum Aufbau einer auf Gerechtigkeit und Beachtung der Menschenwürde gegründeten Gesellschaft. Sein Beispiel und das große Echo im Inland und Ausland, auch bei der Jugend, sind Zeichen der Hoffnung, dass nicht Ungerechtigkeit und Unterdrückung, Terror und Krieg das letzte Wort haben; dass vielmehr die Liebe, und gerade jene, die bereit ist, das Leben für die anderen hinzugeben, die stärkere Kraft ist.

 

Seliger Franz Jägerstätter, stärke uns im Christsein, im Glauben und bitte für uns bei Gott!

 

Bischof em. Dr. Maximilian Aichern

KATHOLISCHE KIRCHE IN OBERÖSTERREICH
Herrenstraße 19
4020 Linz
Telefon: +43 732 7610-1170
post@dioezese-linz.at
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Fachbereich Kommunikation
Herrenstraße 19
Postfach 251
4021 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: