Zeitgenössischer Glaube braucht zeitgenössische Kunst
Am Sonntag -Abend, 6. Juli 2008, wurden sie in einer Feier gesegnet.
„Zeitgenössischer Glaube braucht und bedingt zeitgenössische Kunst“, so der Kunstreferent der Diözese Linz, Hubert Nitsch anlässlich der Segnung der beiden neu gestalteten Glasfenster von Siegfried Anzinger in der Pfarrkirche von Weyer. Er begründete die Auswahl Anzingers damit, „dass sich in den Sakralräumen Oberösterreichs auch die Künstlerlandschaft abbilden sollte.“
„Danke der Pfarre für den Mut, diese Fenster in Auftrag zu geben“, sagte der Kunstexperte Günter Rombold zu den Pfarrverantwortlichen. Rombol d erläuterte in Anwesenheit des Künstlers und der zahlreich erschienenen Pfarrbevölkerung die einzelnen Darstellungen im Frauen- und im Männerfenster: „Anzinger zeichnet die Farbgebung aus und seine Darstellungen sind geprägt mit einem Schuss Humor. Manches an den Fenstern ist ungewöhnlich und befremdlich. Kunst hat uns etwas zu sagen, was man anders nicht sagen kann.“
Motor für die Fenster in der Pfarre waren PGR-Obmann Konrad Rumetshofer und Familie Ernestine und Heinz Janda, die mit dem Künstler durch ihre persönlichen Beziehungen den Kontakt hergestellt haben. Im Pfarrgemeinderat herrschte sowohl bei der Auftragsvergabe als auch bei der Besichtigung der Entwürfe Einstimmigkeit. Damit hat die Weyrer Pfarrkirche ein besonderes Juwel bekommen.
Was ist dargestellt?
Frauenfenster
Anzinger hat je ein Fenster als Frauen- und Männerfenster konzipiert und auch mit dem geläufigen Symbol gekennzeichnet. Jedes Fenster besteht aus sechs Feldern, die zu einer Einheit verbunden sind.
Die Spitze des Frauenfensters nimmt das gotische Maßwerk auf, ganz oben steht die Verkündigungsblume in einem Weiß, das durch das Fenster rinnt wie die Ausläufer eines Gletschers und in dem aufmerksame Beobachter/innen das Gesicht Gottes vom Männerfenster entdecken. Zur Verkündigung an Maria stellt der Künstler gleich die Krönung Mariens. Vorbei an Löwen und Engeltrauben – einer spielt mit dem Flügel des anderen – führt das Weiß zur nächsten Szene. In diesem Fluss findet sich ein Vogel, ein Adler, der als Symbol des Kirchenpatrons, Johannes der Evangelist, das Zeichen der Glaswerkstatt Schlierbach wie eine Krone bekommen hat.
Ein Motiv aus der Renaissance schließt an: Anna Selbdritt - also Anna, Maria und Jesus.
Daraus ragt ein Engel, der die Krone bereithält über einer umgewandelten Pieta auf dem Hintergrund orientalischer Frauen, die Geburt und Kreuz verbindet: Das Kind am Kreuz. Man denke nur, was Kinder auch heute mancherorts zu leiden haben. Wieder finden sich bewusst keine anderen Dekorationen als Tiere und Putten, also kleine Engel. An der Unterkante zertritt die Frau den Kopf der Schlange, entsprechend der Weissagung im Schöpfungsbericht unserer Bibel.
Der Gesamteindruck ist weich, floral, harmonisch, wie ein Blumenstrauß.
Männerfenster
Die Spitze des Männerfensters, das wesentlich sperriger ist, bildet das Symbol des Heiligen Geistes über Gott Vater, dem Engel den Heiligenschein halten. Wir können Gott nicht darstellen, seine Darstellung ist eine Form wie ein König auf dem Schachbrett nicht eigentlich ein König ist. Es ist ein Emblem, eine Metapher der Mächtigkeit, verschnitten mit Humor, um der grauslich-bedrohenden Größe die Spitze zu nehmen.
Darunter bzw. daneben der oberste Teil des Kreuzes, das mit seinen drei Metern „Lebensgröße“ hat. Darauf sitzt wieder der Adler, Symbol des Kirchenpatrons, man könnte auch an den Pelikan in Thomas von Aquins „Gottheit tief verborgen“ denken. Während Johannes der Täufer wie ein Darsteller die Taufe Jesu vollzieht, ist dieser nackt und äußerst verletzlich dargestellt. Denn in der Schwachheit liegt die Stärke, so Paulus in den Korintherbriefen. Unter ihm hockt eine Figur, ein Engel mit einem Vexierbild: ein Schädelmotiv oder eine Blume.
Der Rhythmus von Rechtecken und Quadraten, der durch das Kreuz oben begonnen hat, wird auch unterhalb weitergeführt, wo der weise Denker sitzt, der sich in die Wüste zurückzieht und ein philosophisch-geistiges Fundament bildet mit dem Verweis auf die Schrift. Unter dem Götzenlöwen befindet sich schließlich Christus im vertrauten Gespräch mit einem Jünger, sein Haupt fast janusköpfig, der mit dem Fingerzeig auf den dargestellten Menschenschinder Hitler sagt: Das werden Menschen fähig sein, anderen Menschen anzutun.
Siegfried Anzinger wörtlich zu PGR-Obmann Rumetshofer: „Vorher habe ich mich gefürchtet vor der Aufgabe, weil sich schon Künstler die Zähne daran ausgebissen haben. Wichtig ist, die eigene Handschrift in diese Technik zu bringen. Ich habe mich nicht verbogen für diese Kirchenfenster und bin auch nicht für ein paar Monate besonders katholisch geworden. Ab er ich habe keine Berührungsängste mit katholischen Themen, im Grunde gibt es keine katholischen Themen. Das sind Themen der Menschheit.
Ich habe es mir auch nicht einfach gemacht. An die 1.000 Skizzen habe ich angefertigt. Vom Entwurf über die Steglegung bis zur Malerei mit Schwarzlot habe ich alles selbst gemacht – mit Hilfe der Glaswerkstätte von Schlierbach. Dabei habe ich mir eine Bleivergiftung geholt. Aber es war herrlich, mit dem eigenen Bild aufzustehen. Ich habe Geschmack gefunden an dieser Techni k, auch wenn Kunst manchmal – leider – mit harter Arbeit verbunden ist. Freiwillig hätte ich das nicht gemacht, wenn nicht Erni und Heinz Janda mich in den Hintern getreten hätten.
Wer ist Siegfried Anzinger?
Siegfried Anzinger zählt zu den renommiertest en Künstlern Österreichs und darüber hinaus. Er wurde 1953 in Weyer geboren, wo sein Vater als Finanzbeamter tätig war. Im Alter von 4 Jahren übersiedelte er mit seinen Eltern nach Steyr. Dort besuchte er auch das Gymnasium. Von 1971 bis 1977 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in Wien.
Er war einer der Hauptvertreter der „Neuen Malerei“ (Junge Wilde).
Seit 1982 lebt er in Köln und ist seit 1997 Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Er malte vor allem Ölbilder, musste aber n ach einer Allergie auf Ölfarben seine Technik ändern und wandte sich hauptsächlich dem Aquarell zu. Neben der Malerei arbeitet er an Skulpturen.
Große Ausstellungen von seinen Werken gab es viele unter anderen in Venedig (Biennale),Basel, Hamburg, Bielefeld …und immer wieder in Wien. Einen Bezug zu Weyer haben die Karrenbilder, die im 20er-Haus ausgestellt waren.
2004 war in der Albertina eine große Ausstellung mit dem Titel: Werke auf Papier. In Steyr war die letzte Ausstellung 2007 mit dem Titel: Frauen in den Bäumen. Auch Auszeichnungen hat er viele bekommen, zwei sollen erwähnt werden: 2003 erhielt er als höchste Auszeichnung den Österreichischen Staatspreis und 2006 den Kulturpreis des Landes Oberösterreich. Sowohl seine Technik wie auch seine Farben sind unverwechselbar und einzigartig.
Vom Betrachter wird verlangt, dass er „hinter“ die Bilder schaut. Der Künstler wünscht sich, dass seine Bilder hoffentlich beim Betrachter viele eigene Bilder erzeugen