Dr. Charlotte Herman
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kalchmair,
Herr Mag. Ramsmaier
Herr Pfarrer Sperker
Die Todesmärsche sind in den letzten Jahren durch vermehrte Gedenkveranstaltungen zu diesem Thema wieder etwas mehr in das Bewusstsein der Menschen getreten.
Zuvor dachten viele: „solche Märsche hat es einmal gegeben, man hat davon gehört, aber die waren irgendwo - hat ja nichts mit uns zu tun.“
Diese Veranstaltungen sind Beweis dafür, dass diese Märsche nicht IRGENDWO waren, sondern vor der eigenen Haustüre geschehen sind!
Diese Märsche waren, wie der Namen schon sagt-Todesmärsche, denen unzählige Häftlinge zum Opfer fielen-sie verstarben erschöpft, oder wurden ermordet-nur Einzelnen gelang die Flucht. Sie erfuhren ein Martyrium, das man sich nicht vorstellen möchte. Wie Vieh wurden sie durch die Straßen getrieben.
Wenn ich das Wort HÄFTLINGE ausspreche-dann denke ich immer wieder- Häftlinge sollten ja Verbrecher sein-was war das Verbrechen dieser Häftlinge? Das Verbrechen war, DASS SIE JUDEN WAREN !
Nur mit Widerwillen verwende ich diesen Begriff
Viele Menschen die damals lebten, sagten, sie hätten davon nichts gewusst, obwohl das sehr schwer nachvollziehbar ist, meist verdrängten sie es oder befürworteten es auch.
Und wenn schon jemand helfen wollte, begab dieser sich selbst in Lebensgefahr.
In Neuhofen gedachte man der Frau Stummer, die einen Häftling versteckte und ihm so das Leben rettete. Eine sehr mutige Frau!
In Kirchdorf, erinnere ich mich, als wir vom Veranstaltungsort zum Friedhof gingen, sprach mich eine ältere Dame an und erzählte ganz erschüttert:
Ich kann mich noch ganz gut erinnern, ich war ein kleines Kind, als die armen Menschen durch die Straßen wie Vieh getrieben wurden und eine Frau aus einem Geschäft trat und einem Häftling einen Apfel geben wollte. Der SS-ler zielte mit dem Gewehr auf sie und die Frau reichte dem Gefangenen unerschüttert den Apfel. „Bei mir verhungert keiner“ soll sie gesagt haben.
- Nur kann man sagen, wie man selbst in solch einer Situation gehandelt hätte - hätte man sich verkrochen, oder dem SS-ler die Stirn geboten?
Wäre man bereit gewesen für Fremde - für Juden, das Leben seiner Familie, sein eigenes Leben zu riskieren?
Ich denke nicht, dass man das mit Sicherheit sagen kann.
Durch die große Anzahl der Häftlinge, gab es leider sehr viele namenlose Opfer und nur durch akribische Recherchen oder manchmal auch durch Zufall konnten teilweise die Ermordeten identifiziert werden.
Leider gibt es für die hier begrabenen noch keinen Namen, kein Gesicht-aber vielleicht gelingt es doch, dass Angehörige von ermordeten Verwandten es schaffen, die letzte Ruhestätte zu finden, so wie es in Weißkirchen gelungen ist.
Die Todesmarsch-Gedenkveranstaltung in Weißkirchen fand im Mai statt, ich konnte nicht dabei sein, da ich schon zuvor eine Termin in Wien hatte - mein Mann vertrat mich und das Schicksal spannte einen interessanten Bogen. Zur gleichen Zeit, als man der Ermordeten gedachte - einer der schrecklichsten Zeiten der jüdischen Geschichte, so wurde von der Israelischen Botschaft der Israelische Unabhängigkeitstag gefeiert!
Ein Symbol, dass aus einer Zeit ohne Perspektive-einem Volk, dem kein Land uneingeschränkte Hilfe leistete, doch eine Zukunft für das Jüdische Volk existiert - der Staat Israel, der bedingungslos zur Seite aller Juden auf der ganzen Welt steht - das darf man niemals vergessen!
Es tut gut, zu spüren, dass so viele Menschen Anteil nehmen an der Geschichte. Es wird in Österreich viel für die Aufarbeitung der Geschichte gemacht, aber es ist noch lange nicht genug, vor allem in Anbetracht des immer neu aufkommenden Rassismus und Antisemitismus, ist es wichtiger denn je, Warnungen wahrzunehmen und erste Anzeichen für eine mögliche Katastrophe im Keim zu ersticken.
Das Wichtigste ist, schon Kindern in der Volksschule, solange sie nicht durch die Vorurteile der Erwachsenen „vergiftet“ wurden, die Geschichte behutsam zu lehren.
Danke den Organisatoren der Veranstaltung