Orgelgeschichte der Pfarrkirche St. Florian am Inn
Das damalige Marienpatrozinium dürfte mit einem Kirchenneubau im 12.Jahrhundert in Verbindung stehen. Das ursprüngliche Patrozinium zum Hl. Florian der Christianisierungspfarre und -kirche besteht aber wieder seit spätestens 1394.
Der Kirchenbau selbst, eine bedeutende spätgotische Hallenkirche, entstand in der Zeit des 3. Drittels des 15. beziehungsweise des beginnenden 16. Jahrhunderts.
Das zweischiffige Langhaus mit seiner gefalteten spätgotischen Westempore ist charakterisiert durch die Einwölbung im so genannten Schöndorfer Gewölbetypus, einer Kombination aus zentralisierenden sechsstrahligen Rautensternen und einem Netz von Zweiparallelrippen. Der spätgotische Chor (Presbyterium) mit einem Gewölbe im Schema der Wechselberger Figuration ist als eigenständiger Baukörper mit eigener Triumphbogenwand leicht aus der Achse verschoben, annähernd gleich breit wie das Langhaus, jedoch wesentlich höher.
Die bemerkenswerte barocke Einrichtung erfolgte in mehreren Abschnitten des 18. Jahrhunderts. Der Hochaltar ist ein mächtiges spätbarockes Säulenretabel und so wie die Kanzel um 1760 entstanden. An den zeitlich früheren Seitenaltären finden sich bemerkenswerte Altarblätter aus der Zeit um 1730/35, die an Michaelangelo Unterberger, den späteren Rektor der Wiener k.k.Academie der Mahlerey, Bildhauerey und Baukunst (heute Akademie der bildenden Künste Wien), zugeschrieben werden.
Diese hohe Qualität von Architektur und Einrichtung waren der Maßstab für den nun erfolgten Orgelbau im Chor der Mutterpfarre von Schärding und forderten alle direkt am Orgelbau Beteiligten in höchstem Maße. Für den Laien mag der Aufstellungsort der neuen Orgel im Presbyterium etwas ungewöhnlich erscheinen.
Auf Emporen (so wie der Standort der alten Orgel in St. Florian) wurden im Mittelalter ursprünglich jedoch meist nur Altäre aufgestellt.
Die Geschichte des Orgelbaus in St. Florian am lnn ist bisher weitgehend unerforscht. Nach den vorhandenen Berichten ist in der Zeit um 1790 eine Orgel erwähnt. ln einem Brief des Schärdinger Dechanten Joseph Dosch an Bischof Gall vom 18. Juli 1790 findet sich der interessante Hinweis auf das Vorhandensein einer Orgel (vielleicht im Chor?):
"Am 15. Juli [1790] hielt der größte Teil der [Schärdinger] Bürger eine Prozession nach St. Florian, wobei die Teilnehmer um 7 Uhr früh über den Stadtplatz zogen, ein Kreuz vorantrugen, einige Ratsherrn und der Benefiziat sie begleiteten und in St. Florian der Pfarrer lgnaz Sonnemayr ein feierliches Hochamt mit Trompeten und Pauken und zwei andere Priester eine Messe an den Seitenaltären hielten ... " Der Hinweis auf Trompeten und Pauken in der Musica sacra setzt immer das Continuospiel und somit das Vorhandensein einer Orgel voraus.
Franz Xaver Krempen wurde 1819 Pfarrer von St. Florian. Er steuerte für eine Orgelreparatur I00 Gulden bei. Es ist anzunehmen, dass es sich bei dieser bis 1886 vorhandenen Orgel um ein typisch süddeutsches Instrument mit nur einem Manual handelte. Wenn überhaupt ein Pedal vorhanden war, so war es vermutlich nur angehängt. Das Orgelwerk selbst, wohl ein Vierfußwerk, besaß sicher nicht mehr als 6-8 Stimmen (Register).
Die romantische Lachmayr-Orgel auf der Westempore
Dieses Instrument wurde 1886 vom Hoforgelbauer Johann Lachmayr (1850- 1915) aus Urfahr bei Linz neu erbaut. Das Werk besitzt kein geschlossenes Gehäuse, sondern steht hinter einer in fünf Pfeifenfelder gegliederten, neogotischen Fassade. Die 18 klingenden Stimmen (Register) verteilen sich auf zwei Manuale und Pedal. Das gesamte Spielwerk wurde im Zuge der ersten Überlegungen zu einem Orgelneubau auf der Westempore unter KsR Pfarrer Walter Huber in den 90er Jahren von der Abteilung Klangdenkmale des Bundesdenkmalamtes Wien aus dem Schutz entlassen - nicht jedoch die neugotische "Orgelfassade".
In der Chronik finden sich folgende Vermerke
1885 |
Vorarbeiten zur neuen Orgel: 24. Dezember. |
1918 |
Entnahme von Zinnpfeifen zu Kriegszwecken am 12. Februar: Prestant [sic!] 15 Pfeifen, Principal 24 Pfeifen ... 62 Kilo ... |
1925 |
Im Herbst 1925 wurden dann die herausgenommenen Orgelpfeifen durch Zinkpfeifen wieder ersetzt durch die Firma Gebrüder Mauracher in St. Florian, jetzt in Linz. Dabei wurde entdeckt, daß das Holzwerk der Orgel durch Holzwurm stark gefährdet ist. Mußten infolgedessen Windladen und alles mit Terpentin eingelassen werden, um die Sache einzudämmen. Kosten: 540 Schilling, 60 Groschen ... |
1951 |
Rückversetzung der Orgel zur Wand und Reparatur, Umstellung des Spieltisches sowie Einbau eines elektrischen Gebläses durch die Firma Franz Mauracher aus Salzburg. Bei diesen Arbeiten wurde der Magazinbalg aus dem Unterkasten entnommen und gleichzeitig mit dem neuen Motor am Dachboden über der Orgel aufgestellt. Kosten: 16.148,95 Schilling. Die von Mauracher vorgeschlagene Dispostionserweiterung um ein Register "Aeoline 4"' wurde nicht durchgeführt. |
1977 |
Anlässlich der Innenrenovierung im Juli wurden die Orgelpfeifen ausgebaut und nach der Renovierung wieder eingebaut und gestimmt, durch die Firma Ludwig Eisenbarth/Passau. |
Disposition der romantischen Lachmayr·Orgel
I. Manual C - f" 54 Tasten & Töne Principal 8' (falsches Schild 16') Bourdon 8' Filomele 8' Salicet 8' Principal 4' Flöte 4' Cernett 2 2/3" Mixtur 2' |
II. Manual C - f" 54 Tasten & Töne Dunkelflöte 8' Viola 8' Dolce 8' Praestant 4' Flöte 4' Quint 2 2/3' Superoctav 2' |
Pedal C - d' 27 Tasten & Töne Subbaßs 16' Violon 16' Octavbaßs 8' |
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Koppeln: |
Die neue Orgel im Chor
Erste Überlegungen für einen Orgelneubau auf der Westempore gab es bereits Anfang der 1990er Jahre. Nachdem ich seit 1988 als Aushilfsorganist nach St. Florian geholt wurde und seit 1990 Mitglied der diözesanen Orgelkommission Linz bin, beauftragte mich der damalige Pfarrer KsR Walter Huber mit dem Erstellen eines Orgelkonzepts und dem Einholen mehrerer Offerte. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert und vielen Abänderungen des Projektes konnte nun der Orgelbau mit der Orgelbauwerkstätte Flentrop aus Zaandam in den Niederlanden finalisiert werden!
Mit dem Standort im Chor wurde wohl der bestmögliche Platz für das Instrument gewählt. Die Musica sacra ist ein wichtiger Bestandteil in der Liturgie - somit verdient auch das wichtige Musikinstrument der Liturgie, die Pfeifenorgel, diesen ehrwürdigen Platz im Chor der Pfarrkirche.
Maßgeblich bestimmt wurde das Gesamtkonzept der Chororgel, wie schon erwähnt, durch den architektonisch bedeutenden Kirchenbau und dessen qualitätvoller Ausstattung. Das Orgelinstrument selbst stellt eine Einheit von Leib (Kiangkonzept) und Kleid (Gehäuse) dar und orientiert sich optisch und klanglich an Instrumenten des 17.Jahrhunderts.
Merkmale dieses Stils sind unter anderem die geringe Gehäusetiefe, der Flachprospekt, dessen Pfeifen ihre Labien in gleicher Höhe haben, die direkt aufgehängte einarmige Spieltraktur, die aus fast reinem Blei auf Sand gegossenen und gehämmerten Pfeifen sowie eine sehr vokal orientierte Intonation durch eine natürlich atmende Windversorgung mit einem Tremulanten im Hauptwindkanal.
Disposition
Hauptwerk (I) C, D - d"', e"'
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Principal [8'] |
Brustwerk (II) C, D- d"', e"'
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Im Hauptwerk findet sich der gesamte Principalchor (8', 4', 3', 2', IV) von mittlerer Mensur, sowie zwei Flötenregister von weiter Mensur und ein vierfaches, weit mensuriertes Cornet als Solostimme ("klassisch" nur im Discant ab c' ausgeführt). Das Brustwerk beinhaltet quasi ein Cornet decompose (8', 4', 3', 2', 1 3/5), das sind weit mensurierte Flötenregister. Die Cornet-Register, so genannte gemischte Stimmen, ermöglichen eine Fülle von sehr farbigen Soloregistrierungen. Die zahlreich disponierten AliquotStimmen der Orgel setzen eine ungleichstufige Temperierung voraus. Die hier angewendete 1/5-Commastimmung (pythagoräisch) nach Arnolt Schlick aus dem "Spiegel der Orgelmacher und Organisten, Mainz 1511", verleiht den Aliquoten ihre harmonische Wirkung.
Der Cornetklang wurde besonders im französischen Orgelbau gepflegt, hat seinen Ursprung jedoch in den Niederlanden. Im Pedal klingt ein Subbass 16' von weiter Mensur, das einzige Holzregister im gesamten Orgelwerk. Die gesamte Orgel verfügt über 881 Pfeifen.
Persönlicher Dank gebührt: Den Mitarbeitern der Orgelbauwerkstätte Flentrop Orgelbouw, im Besonderen den Orgelbaumeistern Frits Elshout und Erik Winkel, dem Montageteam Rutger Boogaard und Mees Qualm sowie den lntonateuren Jan Spijker und Dick Koomans.
Johann Waldbauer, Restaurator aus Furth bei Göttweig für die Schnitz- und Staffiererarbeiten. Wolfgang Auer aus Braunau für die moderierende fachliche Beratung in brisanten Fragen des Erscheinungsbildes.
Laudate eum in chordis et organo
Mag.johannes Dandler, Schärding am 17.07.2017
Mitglied der Orgelkommission der Diözese Linz