Gedenken an die Opfer 1945
„Gedenken an die Opfer beim Kraftwerksbau und beim Todesmarsch 1945“
Dass es viele Straßenstücke, Siedlungen, Kraftwerke, Industrieanlagen und infrastrukturelle Einrichtungen in Oberösterreich gibt, die mithilfe von KZ-Zwangsarbeit errichtet wurden und auch heute noch genützt werden, ist den meisten OberösterreicherInnen heutzutage nicht bewusst.
Bei diesen Bauvorhaben wurden Menschen gedemütigt und drangsaliert, wurden ermordet und starben infolge der katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Auch das Kraftwerk Großraming verweist auf ein solch dunkles Kapitel seiner Errichtung. Das KZ in der Ortschaft Arzberg/ Gmd.Reichraming wurde 1943 als Außenlager von Mauthausen eingerichtet, um den Kraft-werksbau voranzutreiben. Mehr als 1000 Häftlinge waren hier interniert. Und schließlich war die Eisenstraße im März und April 1945 Schauplatz des Todesmarsches ungarischer Juden. Tausende Menschen wurden damals kurz vor Kriegsende von der ungarischen Grenze nach Mauthausen getrieben und kamen auch durch das Ennstal.
Die Geschehnisse vor 75 Jahren prägen unser ganzes Land und die Gesellschaft von morgen. Eine lebendige Erinnerung ermöglicht es, hellhörig Totalitarismen und Menschenverachtung vorzubeugen und zu entlarven. Lebendige Erinnerung lässt die Toten nicht in der Namenslosigkeit und Unfassbarkeit von Zahlen und Statistiken versinken. Sie stellt uns Opfer vor Augen. Ihr Schicksal muss unsere ganze Aufmerksamkeit auf die unverbrüchliche Würde eines jeden Menschen lenken.
Lebendige Erinnerung ist aber auch ein Gedenken an die, die in der damaligen Zeit gerecht waren, die sich nicht vom Sog der Ideologie mitreißen haben lassen und Widerstand geleistet haben. So gab es auch im Ennstal Widerstand gegen Inhumanität, gab es Menschen, die trotz Verbot und Lebensgefahr Geflüchtete versteckten und Brotlaibe vor die Haustür legten. Wir gedenken daher auch derer, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihr Leben für die Rettung anderer riskierten.
Die Opfer sind vor dem Vergessen zu bewahren und die Schuld vor dem bloßen Verdrängtwerden. Zum Schuldbekenntnis gehört die Schulderkenntnis. Es ist notwendig zu analysieren, wie und warum geschah, was geschehen ist. Geschieht das nicht, bleibt Erinnerung ein frommes Ritual. Was unaufgeklärt bleibt, droht mit Wiederholung.
Linz, am 19.November 2020 Diözesanbischof Dr.Manfred Scheuer