Gelungene Fachtagung: „Verändert – Leben mit Verlust und Tod“
„Verändert – Leben mit Verlust und Tod“ – so lautete das Motto der Fachtagung am 22. Oktober 2021 im Bildungshaus Schloss Puchberg. Ein vielfältiges Programm mit Vorträgen und Workshops erwartete das Publikum. Mehr als 250 Teilnehmer*innen, die zum Teil via Streaming online mit dabei waren, konnten sich fachliche Impulse und Anleitungen für die Praxis in Seelsorge, Begleitung und Beratung mitnehmen.
Mag.a Silvia Breitwieser, Leiterin TelefonSeelsorge OÖ begrüßte die TeilnehmerInnen. © Thomas Obermeier
„Von der Ohnmacht in die Gestaltung kommen“ – Über die vielen Gesichter der Trauer im Kontext von Palliative Care sprach Dr.in Annette Henry, Ärztin für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin bei Wiens mobilem Kinderhospiz MOMO. Trauer kann als Mosaikbild verstanden werden und nach und nach fügen sich die unterschiedlichen Erlebnisse und Vorgänge in ein Gesamtbild zusammen. In der Trauer- und Abschiedsbegleitung geben die Begleiter*innen ihr Bestes und das will gewürdigt sein, so Annette Henry in ihrem Vortrag. Es führt kein Weg an der Trauer vorbei, sie ist sogar als lebensnotwenige Reaktion zu versehen. „Trauer ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, ist Henry überzeugt.
Annette Henry: "Es führt kein Weg an der Trauer vorbei." © Thomas Obermeier
Verlust, sei es der Tod eines geliebten Menschen, der Verlust des Partners nach einer Trennung und Scheidung, oder wenn einem eröffnet wird, dass nach einer Diagnose nur mehr eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung steht, ist gemäß Henry „ein Sturz aus der Wirklichkeit“, welcher mit kaum aushaltbaren inneren Zuständen verbunden ist. Dieser Sturz aus der Wirklichkeit erzeugt bei vielen Menschen tiefe Ohnmacht, den Verlust von Sicherheit. Alles, was bisher getragen hat, geht vorerst einmal verloren. Die Frage hier ist: Was stabilisiert in solchen Krisen? Der Prozess ist wie ein „Pendeln zwischen mehreren Gleichwertigkeiten“, ein Pendel zwischen den widersprüchlichen Gefühlen. Henry schlägt hierbei vor, konkrete Gesprächsangebote zu machen, z.B.: „Wir hoffen mit Ihnen auf eine gute Entwicklung und trotzdem wäre ein Gespräch sinnvoll, um zu klären, welche Wünsche Sie haben, wenn die Zeit begrenzt ist“. Zudem kommen Fragen auf, wie: Was will gelebt werden in Anbetracht des Sterbens. Für die Begleitung bedeutet das: Wahrnehmen, Dableiben und Aushalten – vor allem das Aushalten von Widersprüchlichkeiten. Begleitung bei Verlust und Trauer ist dann: die Hand ausstrecken, hinhalten – aber nicht gleich zugreifen, denn Trauerende wollen in jeder Phase des Prozesses in ihrer Selbstbestimmung bleiben. Menschen in Begleitung und Seelsorge sollten sich mit Deutungen sowie Interpretationen zurückhalten – oder wie es Henry formulierte: „Erzählen sie mir von ihrem Schmerz, gleich ob körperlich oder seelisch.“ Der/die Patient*in/Klient*in hat immer recht, weil es nicht um diagnostische Aspekte aus medizinisch oder psychologischer Sicht geht, sondern um das subjektive Wehrnehmen und Empfinden – und das will ernst genommen werden.
Eine spirituelle Haltung in der Trauerbegleitung kann bedeuten, das Leben an sich in einem inneren Transzendenzbezug zu stellen. Die theologisch-spirituelle Dimension ist ein innerer Resonanz- Raum, den der/die Begleiter*in in sich mitträgt und kann in einer stillen Art mitschwingen, so Dr. Steffen Glathe, MA in seinem Vortrag. Glathe hat Medizin und Theologie studiert und arbeitet als Psychotherapeut (Logotherapie und Existenzanalyse) in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Altenburg/Thüringen sowie in freier Praxis.
Steffen Glathe: "Nur im Jetzt begegnet uns die Fülle des Lebens." © Thomas Obermeier
Laut Glathe werden in Trauer und Abschiedsprozessen alle Betroffenen mit Grundfragen konfrontiert, wie:
- Kann ich sein – bin ich körperlich und seelisch existent?
- Mag ich leben – finde ich wieder die Zustimmung im Sinne, gut, dass es mich gibt
- Kann ich meinen Lebensweg zustimmen – soll ich so leben, will ich so leben – finde ich eine Zustimmung für meine konkrete Lebenspraxis.
Die Konfrontation mit der Endlichkeit ist zudem die Einladung ganz im Jetzt zu leben, denn nur im Jetzt begegnet uns die Fülle des Lebens. Wenn jemand (aus dem Leben) geht, bleiben wir zurück mit Fragen wie: Worum geht es im Grunde (eigentlich), wenn ich streite, wenn ich arbeite, wenn ich liebe, wenn ich plane, wenn ich täglich aufstehe, … Und stimmt diese Antwort dann wirklich?
Die beiden Hauptvorträge zum Nachschauen:
(jh)