Von Donnerstag, 22. August bis Samstag, 24. August 2024 fand im Bildungshaus Schloss Puchberg die Bibelpastorale Studientagung zum Ersten Korintherbrief statt. Wieder einmal bildete die Kooperationsveranstaltung von Bibelwerk Linz, Österreichischem Katholischen Bibelwerk und dem Bildungshaus Schloss Puchberg einen bibelpastoralen Höhepunkt des Jahres.
Ringen um den Glauben
Unter dem Motto „Alles ist mir erlaubt!?“ beschäftigten sich 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam mit em. Univ.-Prof. Dr. Martin Ebner und Univ.-Prof.in Dr.in Klara-Antonia Csiszar in Vorträgen, Workshops, Tischgruppen und liturgischen Feiern mit unterschiedlichsten Aspekten des Briefes und seiner Botschaft für Gesellschaft und Kirche in der heutigen Zeit. Es ist ein Brief, in dem Paulus um den Glauben und Zusammenhalt ringt – gemeinsam mit der gesellschaftlich heterogenen Gemeinde in Korinth.
Ein Glaube der frei macht
Zum Auftakt sprachen Mag. Christoph Burgstaller, Direktor des Bildungshauses Schloss Puchberg, Weihbischof Dr. Anton Leichtfried, Weihbischof in der Diözese St. Pölten und Bibelbischof der Österreichischen Bischofskonferenz, Dr.in Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, und Mag.a Karin Hintersteiner, Teamleiterin des Bibelwerk Linz, Grußworte. Sie stellten die Weichen für die folgenden Tage und betonten, dass der Glaube frei machen sollte (vgl. 1 Kor 6), sich Charismen im eigenen Ich entwickeln dürfen (vgl. 1 Kor 12) und wie die Gemeinde in Korinth damals, auch wir heute mit dem Ersten Korintherbrief gemeinsam um den Glauben und das Zentrum unseres Glaubens, ringen dürfen.
Ekklesia Gottes
Der Neutestamentler Martin Ebner stellte in vier Vorträgen mit eingebauten Tischgruppendiskussionen verschiedene Aspekte und Anliegen des Paulus vor.
Er nahm die Teilnehmer:innen mit ins antike Korinth und seine gesellschaftlichen Strukturen, die sich besonders im Theater zeigten. Die ekklesia von Korinth, die als Bürgerversammlung in vorrömischer Zeit die Geschicke der Stadt eigenmächtig lenkte, wurde für Paulus zum Vorbild einer ekklesia Gottes – einer Bürgerversammlung der Getauften, in der alle gleich behandelt werden. Männer und Frauen sind gleichberechtigt hinsichtlich ihrer Aktionen in der ekklesia Gottes. Paulus baute seine Mission über die Provinzhauptstädte aus. Er stellte den Knotenpunkten der römischen Macht aus dem Westen eine andere entgegen: In den jeweiligen Provinzen bildeten die Christusgläubigen aus dem Osten „Inseln der zukünftigen Gottesmacht“.
Paulus reagierte in seinem Brief, das für Ebner ein „Briefkonvolut“, also eine Sammlung unterschiedlicher Briefe bildet, auf Gerüchte und schriftliche Anfragen aus Korinth. Eine solche Anfrage beantwortete Paulus in 1 Kor 11. Das zentrale Herren-Festmahl wird praktiziert und stellte die soziale Ordnung auf den Kopf – noch nicht ganz in Korinth. Die Reichen und Armen bildeten noch keine Tischgemeinschaft, doch erst, wenn diese realisiert wird, wird das Gedächtnismahl Jesu im Umgang der Feiernden miteinander sichtbar.
Ein weiteres Problem bildeten ungeordnete Gottesdienste und Verantwortlichkeiten, denen Paulus die geistgeschenkten Gaben (Charismen) in 1 Kor 12–14 entgegenstellt. Die Gaben sind gleichrangig und gleich an Wert und sie sind ein zentraler Teil der Eucharistie (eu-charis-tein).
Der letzte Vortrag widmete sich Paulus’ Umgang bzw. „Rundumschlag“ gegen unangemessene Sexualitätsformen (vgl. 1 Kor 5–6). Hier zeigte sich das deutliche Ziel des Paulus: Abgrenzung nach außen (hellenistische Welt) und Identitätsstiftung nach innen. Seine Grundannahme, dass im Reich der Gottesherrschaft ein neuer Sozialraum geschaffen wird (vgl .Gal 3,26–28), in dem die Binarität von Mann und Frau mit ihren Wertungen unter den Getauften außer Kraft gesetzt wird, ist für einige die Vorlage, sich mit jenen, die nicht alle Konventionen aufheben wollen, zu streiten. Konkret geht es um Männer in Frauenkleidung und Frauen in Männerkleidung – die Frage nach sozialen Rollen. Paulus fällte schlussendlich ambivalente Urteile innerhalb des Briefes, die seine Zerrissenheit zum Thema spiegeln. Kulturelle Prägungen spielen eine wichtige Rolle – bis heute.
Reformen müssen im Gedächtnis der Menschen ankommen
Die Pastoraltheologin Klara-Antonia Csiszar betonte, dass Kirche weit gedacht werden muss. Sie brachte Erfahrungen aus der aktuell laufenden Weltsynode in Rom ein und stellte die „Theorie U“ von Otto Scharmer vor. Diese Theorie denkt von der Zukunft her. Csiszar präzisierte Transformation als Prozess, dem sich niemand entziehen kann und den jede:r will. Im Gegensatz dazu sind Reformen nicht immer von allen gewollt.
So wird ein pastoraler Grundkonflikt immer sichtbar. Zwei Gruppen, die sich bilden, stimmen zu, dass die gegenwärtige Situation der Kirche in einer Krise ist. Gruppe A will keine Reform mehr und schiebt die aktuelle Krisensituation auf jene, die „schon zu weit gegangen sind“. Gruppe B hingegen sieht einen Ausweg aus der Krise in weiteren Reformen.
Reformen sind kein einfacher Weg, sie erfordern Geduld und Durchhaltevermögen, auch in der Kirche. Karl Rahner sagte einmal: „Ecclesia semper reformanda in capite et in membris.“ Nur mit Beschließen und Durchsetzen ist die Reform nicht erreicht, sie muss auch im Gedächtnis der Menschen ankommen.
In ihrem Schlusssatz betonte Csiszar, dass die Menschen lernen sollen, kluge Fragen zu stellen.
Ebner betonte, es gibt keine Reformen ohne Experimente und forderte dazu auf, gemeinsam aufzustehen in Solidarität in Europa.
Biblischer Genuss
Das Theaterstück „Maria Magdalena“ von Heinrich Wagner, beindruckend dargestellt von Bianca Fahrthofer, stellte einen kulturellen abendlichen Höhepunkt dar. Der zweite gemeinsame Abend lockte mit einem Festbuffet zum gemütlichen Beisammensein an einem lauen Augustabend.
Biblische Vielfalt
Am Freitag konnten die Teilnehmenden aus insgesamt 10 Workshops wählen, die von in der Bibelpastoral Tätigen aus allen österreichischen Diözesen geleitet wurden. Die Auswahl für zwei Workshops fiel einigen sehr schwer, da das Angebot von biblischer Weinverkostung, Textarbeiten, kreativen und meditativen Methoden bis hin zu erzählenden und schreibenden Workshops breit gefächert war.
Das Bibelwerk Linz und die Buchhandlung Herder Zach aus der Wollzeile in Wien luden mit einem breiten Angebot an den Büchertischen zum Erkunden, Schmökern, Informieren und Kaufen biblischer (und spiritueller) Bücher und Behelfe ein.
Liturgische Feiern rundeten die Tage ab. Jede einzelne Feier war atmosphärisch sehr dicht und eine besondere Erfahrung für jede und jeden Teilnehmer:in!
Magdalena Görtler