Die eigene Seele
Ich war 16 oder 17 Jahre alt, ich weiß es nicht mehr genau. Ich ging damals in die HAK in Linz-Auhof zur Schule. Es war kurz vor Semesterende. Zwei Nichtgenügend hatte ich schon eingefahren und jetzt stand noch eine Entscheidungsprüfung in Englisch an. Es war Wochenende und ich sollte lernen. Ich konnte nicht. Verzweiflung und Traurigkeit packten mich. Grundlos fing ich immer wieder an zu weinen. Der ganze Sonntag war eine Qual.
Ich weiß nicht, wie es geschehen ist, ich weiß nur, dass es geschehen ist: Am Montag Morgen stand ich auf und setzte mich zum Frühstück an den Tisch in unserer Stube und plötzlich ergriff mich das Gefühl eines (jetzt wird es kitschig, aber ich finde kein anderes Wort) eines tiefen Getragen-Seins. Zuversicht und Mut stellten sich wieder ein bei mir. Obwohl mir klar war, dass ich keinen Strich am Wochenende gelernt hatte, fuhr ich in die Schule. Und ich wusste, egal ob ich diese Prüfung schaffe oder nicht, der eventuelle Misserfolg wird mich nicht mehr so erschüttern können wie die Tage zuvor. Ich packte die Prüfung, Frau Professorin hatte ein Erbarmen mit mir und meinem schlechten Englisch im Mühlviertler Zungenschlag.
"Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen"
In den folgenden Jahren hatte ich in der Schule noch viele Nichtgenügend geschrieben. Warum und wieso, das ist eine eigene Geschichte. Der Knopf, wie man so schön sagt, ist mir erst an der Uni aufgegangen. Die ganzen damaligen Noten aus der Schulzeit sind vergessen, sie haben keine Bedeutung mehr. Aber die Erfahrung und die daraus gewonnene Erkenntnis von diesem Wochenende, dass mein Inneres, meine Seele oder wie immer wir es nennen mögen, zu einer lebensspendenden Quelle des Mutes und der Zuversicht werden kann, diese Erfahrung habe ich nicht mehr vergessen.
Etliche Jahre später lernte ich, dass es altes antikes und christliches Gedankengut ist, dass die menschliche Seele zum Resonanzraum Gottes werden kann. Paulus schreibt im Römerbrief: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Das ist es, was mir Mut macht.
MMag. Helmut Außerwöger
Theologe, Philosoph, Psychotherapeut
Direktor des Bildungshauses Schloss Puchberg