"Coraggio!"
Aus Bergamo kamen Ende März verstörende Bilder über die Situation in Italien: Militär-LKW, die im Konvoi Särge aus der Stadt abtransportieren. Die Leichenhallen waren voll.
Aus Bergamo stammte Angelo Roncalli. Als Papst trug er dann den Namen Johannes XXIII. Vor seiner ersten großen Predigt haben dem jungen Angelo die Knie geschlottert. Mindestens vierzig Minuten wurden damals in Bergamo erwartet. Frei gesprochen – ohne Zettel. Hinter der Kanzel murmelte der Mesner: „Coraggio, Don Angelo, wird schon gut gehen!“ – Diesen Zuspruch hat sich Angelo dann selbst angeeignet. Viele, die später dem Papst Johannes begegnet sind, erinnern sich daran, wie er ihnen mit einem herzhaften „Coraggio!“ („Nur Mut!“) auf die Schulter geklopft hat.
"Porta della morte"
Aus Bergamo stammte auch der Bildhauer Giacomo Manzù, ein Sohn des oben erwähnten Mesners. Im couragierten Widerstand gegen das Mussolini-Regime ist er Kommunist geworden. Aber im Andenken an seine tiefgläubige Mutter beteiligte er sich im Vatikan an einem Künstlerwettbewerb: Die Flügel der „Porta della morte“ („Tor des Todes“) im Petersdom waren zu erneuern. Trotz der Anfeindungen durch die katholische Presse erteilte die Kurie ihm den Auftrag. In einem jahrelangen Ringen mit dem Bildkonzept wurde aus dem ursprünglichen Auftrag „Der Triumph der kirchlichen Märtyrer“ das neue Thema: „Der Skandal des Todes und der Gewalt“.
„Porta della morte“ („Tor des Todes“)
„Ein Bergamasker kann kein Atheist sein!“
In Bergamo hatte der Künstler einst auch den gehenkten Partisanen gesehen, vor dem am Tor im Petersdom nun Johannes XXIII kniet. Dieser hatte sich im kirchlichen Streit um den Kommunisten und angeblichen Atheisten Manzù nie von seiner Überzeugung abbringen lassen: „Ein Bergamasker kann kein Atheist sein!“ Der Künstler selbst sagte einmal: „Ich denke unentwegt an die Armut und an das Elend. Ist das nicht auch eine gute Art, an Gott zu denken?“
Mit dem 5. Fastensonntag am 29. März hat die sogenannte Passionszeit begonnen. Wer an Gott denkt und wer den Kreuzweg betet, kann die Armut und das Elend nicht übersehen. Es ist kein Widerspruch, sondern es gehört zusammen: Das Leid ernst nehmen und einander beistehen und Mut zusprechen.
„Seid gewiss, ich bin bei Euch alle Tage!“
„Coraggio! - Nur Mut!“ Da steckt das Herz (cor) drinnen. Es heißt nicht: „Dir soll alles erspart bleiben.“ Und nicht: „Die Leidenden sollen dich nicht berühren.“ Aber es heißt vielleicht: „Vertraue darauf, dass Du nicht allein gelassen wirst!“ Und: „Widerstehe allem, wo Menschen verachtet und bedroht werden!“ – Es ist eine Variante des Jesus-Wortes: „Seid gewiss, ich bin bei Euch alle Tage!“
Aus Bergamo kommt für mich das „Coraggio! – Habt Mut!“
(zu Manzù vgl. Hubert Gaisbauer „Der religiöse Blick des Atheisten Manzù", Vortrag in St. Virgil am 27. Nov. 2008)
Franz Wöckinger ist Pfarrer in St. Georgen an der Gusen.
(Dieser Text erschien am 28. März 2020 in der Serie „Lebenszeichen“ der Pfarre St. Georgen an der Gusen.)