Samstag 20. April 2024

Gedanken zum Tag

Tiefwurzler des Glaubens gefragt

Predigtgedanken zum fünften Sonntag der Osterzeit am 10. Mai 2020 von Abt Reinhold 

Tiefwurzler des Glaubens gefragt

Predigtgedanken zum fünften Sonntag der Osterzeit am 10. Mai 2020

(Apostelgeschichte 6, 1-7; Johannesevangelium 14, 1-12)

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gibt nicht nur die Coronakrise, sondern auch die Klimakrise, die der Welt zu schaffen macht. Ausdruck dafür ist unter anderem das Waldsterben aufgrund der Borkenkäferplage, verursacht vor allem durch mangelnden Niederschlag. Gefragt sind in Zukunft deshalb nicht sosehr Flachwurzler bei den Baumarten, sondern Tiefwurzler, die das lebensspendende Wasser aus großer Tiefe holen können.

Gilt nicht auch für die Welt des Glaubens Ähnliches? In Zukunft werden wir mehr Tiefwurzler als Flachwurzler des Glaubens brauchen, damit wir Bestand haben in den Herausforderungen des Lebens und den Zugang zu den lebensspendenden Wassern Gottes nicht verlieren.

Das Wort Gottes als Lebensquelle

In der Lesung aus der Apostelgeschichte hören wir, wie die Apostel bei einer wachsenden Jüngerschar von der Arbeit überfordert wurden. Es gab Konflikte, weil sie die sozialen Dienstleistungen nicht mehr richtig koordinieren konnten. Deshalb wurde von nun an der Stand der Diakone eingerichtet, die sich um diese sozialen Anliegen kümmern sollten. Die Apostel aber wollten in Zukunft „beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben“; sie sagten: „Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen.“

Der Dienst am Wort Gottes muss immer mit dem Dienst an den Menschen verbunden sein, gerade deshalb ist es wichtig, „das Wort Gottes nicht zu vernachlässigen“. Wenn keine geistlichen Wurzeln da sind, kann es sein, dass der Baum des äußeren Tuns schnell Schaden erleidet und auch keine Widerstandskräfte gegen Gefahren von außen mehr hat. Es braucht die tiefe Verankerung im Wort Gottes, weil Christus selber das Wasser des Lebens und der Halt in allen Bedrängnissen ist.

Herausfordernde Zeiten wie die unseren sind ein Aufruf, neu diese tiefen Wurzeln und die Verankerung im Wort Gottes zu suchen. Gerade in Zeiten, wo die öffentliche Feier der Sakramente noch sehr eingeschränkt möglich ist, bietet sich die Heilige Schrift als geistliche Nahrung an. Es braucht kein Spezialwissen und keine besondere theologische Vorbildung, um aus den Worten der Schrift zu leben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass es „kein bloßes Menschenwort ist, was es in Wahrheit ist: Gottes Wort“ (1 Thess 2,13).

Weg, Wahrheit und Leben

Ganz in die Tiefe geht auch das Evangelium, das aus den sogenannten Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium genommen ist. Jesus spricht über seinen Weg zum himmlischen Vater: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um euch einen Platz für euch vorzubereiten?“ Jesus spricht nicht nur über seinen Weg zum himmlischen Vater, er sagt auch, dass er selber dieser Weg ist: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, außer durch mich.“

Wenn wir beim Bild des Baumes mit den tiefen Wurzeln bleiben, dann bedeutet das, dass Jesus sozusagen der Baum mit den tiefsten Wurzeln ist, denn seine Wurzel ist der Vater im Himmel. So wie bei einer Eiche die Wurzellänge und Tiefe der tatsächlichen Höhe des Baumes entspricht, so reicht Jesus sozusagen noch einmal so weit in die Tiefe wie er sichtbar in die Höhe ragt – wahrer Mensch und wahrer Gott!

Mir gefällt, dass Jesus Weg, Wahrheit und Leben zusammennimmt als einander ergänzende Bilder. Vom Weg sprechen ja viele, auch davon, dass „der Weg das Ziel ist“. Das mag schon manchmal zutreffen, aber oft ist es auch so, dass damit Orientierungslosigkeit verbunden ist. Wie Mark Twain einmal gesagt hat: „Nachdem wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Oft wird auch nur die Wahrheit in den Mittelpunkt gerückt und auf die reine Wahrheit gepocht, ohne auf die konkreten Menschen zu achten oder auch ohne jemandem eine Entwicklungsmöglichkeit zuzugestehen.

Wenn Jesus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, dann verbindet er alle drei Aspekte miteinander und nimmt ihnen die jeweilige Einseitigkeit. Es gibt einen Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens und keine Beliebigkeit, aber dieser Wahrheitsanspruch bezieht sich nicht auf ein bloßes System von Glaubenssätzen, sondern auf eine lebendige Person, die Leben in Fülle verheißt und einen Weg eröffnet.

Maria, die Wegweiserin

Jesus hat die tiefsten Wurzeln, er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ein guter Zugang zu ihm wird uns durch die Gottesmutter Maria möglich. Der Monat Mai ist in besonderer Weise ihr geweiht.

Eine ostkirchliche Ikone trägt den Titel „Maria – Wegweiserin“. Es ist eine Muttergottes dargestellt, die uns frontal anschaut, ihren Kopf aber liebevoll zum Jesuskind hinneigt und mit der rechten Hand auf Jesus verweist. Es ist die Absicht Marias, uns zu Jesus zu führen, damit wir uns so wie sie Gott öffnen. Im „Gegrüßet seist du, Maria“ sagen wir zu ihr: „Du bist voll der Gnade.“ Zugleich vertrauen wir ihr auch unsere Fürbitten und Anliegen an. Das kommt dann im letzten Teil des „Gegrüßet seist du, Maria“ zum Ausdruck: „Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ Diese Bitte und dieses Gebet sprechen das „Jetzt“ an, aber zugleich auch „die Stunde unseres Todes“. Der Augenblick im Jetzt und das letzte Ziel unseres Lebens sind entscheidend. Es geht also um das Ganze. Vielleicht beten wir im Marienmonat Mai das „Gegrüßet seist du, Maria“ bewusster als sonst.

Tiefwurzler statt Flachwurzler sind gefragt. Das Wort Gottes führt in die Tiefe zur Quelle des Lebens. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben und Maria führt uns hin zu dieser Tiefe.

Wenn wir Maria, die Mutter Jesu ehren, dann wollen wir am heutigen Muttertag in besonderer Weise auch unsere Mütter, Großmütter und alle mütterlichen Menschen in unsere Gebete miteinschließen. Wieviel „Wurzelarbeit“ betreiben Mütter und Väter in ihren Familien! In diesen Wochen ist diese erzieherische Arbeit besonders herausgefordert worden. Wir danken ihnen für diese Arbeit und wünschen ihnen Gottes Segen für ihre Familien. Einen gesegneten Sonntag mit immer mehr Schritten hin zu mehr Normalität! Amen.

Pfarre Zwettl an der Rodl
4180 Zwettl an der Rodl
Marktplatz 1
Telefon: 07212/6543
Telefax: 07212/6543-4
Katholische Kirche in Oberösterreich
Diözese Linz

Fachbereich Kommunikation
Herrenstraße 19
Postfach 251
4021 Linz
https://www.dioezese-linz.at/
Darstellung: