Dienstag 23. April 2024

Gedanken für den Tag

Es braucht eine Kirche ...

Predigt von Bischof Manfred zum Ostermontag

 

Wir aber hatten gehofft … (Lk 24,21)

 

Die Vorbereitung auf Ostern beginnt normalerweise am Aschermittwoch. Das war in diesem Jahr am 26. Februar. Corona war zwar schon in Italien, aber noch nicht bei uns. Natürlich haben wir Terminplanungen gemacht, Liturgievorbereitungen für die Fastenzeit und Ostern, Chöre und Orchester haben geprobt, vielleicht war auch ein Urlaub oder eine Reise angedacht. Und dann kam über Nacht (zumindest für die meisten unvorbereitet) fast alles anders. Corona hat eine radikale Unterbrechung in unseren Alltag auf fast allen Ebenen gebracht. Dass das so massiv wird, hat vermutlich niemand befürchtet oder erwartet. Strategien, Pläne, Prozesse, Abläufe, Zukunftswege, Vorstellungen, Erwartungen, sie sind radikal durchkreuzt worden, auch Sehnsüchte und Träume von Begegnungen und Beziehungen lassen sich nur heute auf Distanz realisieren. Geburtstage, Feiern, Begräbnisse: nur sehr eingeschränkt möglich und anders als ausgedacht.

 

In der Linzer Obdachlosenzeitung Kupfermuck’n, in Tirol ist das der 20er, habe ich einmal die Lebensgeschichte eines Mannes gelesen, der seine Biographie mit folgenden Worten beginnen lässt: „Irgendwie habe ich es mir anders vorgestellt, als alles kam.“ In diesem kurzen Satz drückt sich die tiefe Enttäuschung über das Platzen aller Lebensträume aus. Dieser Satz verkörpert den Karfreitag: Scheitern, Verlust und Traurigkeiten sind Realitäten, die jede und jeder im eigenen Leben kennt und erfährt. Der Karfreitag ist nicht nur ein Tag im Kalender, er ist Teil unseres Lebens.

 

Diese tiefe Lebens-Enttäuschung wird auch bei den Jüngern Jesu greifbar. „Wir hatten aber gehofft, dass Jesus der sei, der Israel erlösen werde“, heißt es im Lukasevangelium (Lk 24,21). Die Jünger, die das sagen, befinden sich auf dem Weg zum kleinen Ort Emmaus, weg von Jerusalem, weg vom Ort ihrer Enttäuschung. Den Enttäuschungen zu entkommen suchen ist eine Strategie, die meist nicht aufgeht. „Das Leben muss weitergehen“, heißt es dann oft auch. Der Karsamstag, dieser stille Tag der Karwoche, versinnbildlicht diese Rückkehr in den Alltag. Ein Alltag, in den die Lebens-Enttäuschungen integriert werden müssen.

 

Die Jünger begegneten auf dem Weg nach Emmaus schließlich dem auferstandenen Jesus. Ihre Traurigkeit bewirkte, dass sie ihn erst nach Stunden erkannten an der Art, wie Jesus das Brot brach. „Da gingen ihnen die Augen auf“, heißt es. Ostern – das sind die Erfahrungen, wenn das Leben unverhofft und unvermittelt wieder Oberhand gewinnt. Ostern, das ist, wenn strahlende Zuversicht und Lebensfreude überhandnehmen. Mit der Auferstehung Jesu beweist Gott, dass er alles zum Guten wenden kann – ganz anders, als wir es uns vorstellen können.

 

„Gott, gib uns Osteraugen, die im Tod bis zum Leben zu sehen vermögen, in der Schuld bis zur Vergebung, in der Trennung bis zur Einheit, in den Wunden bis zur Herrlichkeit, im Menschen bis zu Gott, in Gott bis zum Menschen, im Ich bis zum Du.“ (Klaus Hemmerle)

 

„Es braucht eine Kirche, die keine Angst hat, in die Nacht dieser Menschen hinein zu gehen. Es braucht eine Kirche, die fähig ist, ihnen auf ihren Wegen zu begegnen. Es braucht eine Kirche, die sich in ihr Gespräch einzuschalten vermag. Es braucht eine Kirche, die mit jenen Jüngern zu dialogisieren versteht, die aus Jerusalem fortlaufen und ziellos allein mit ihrer Ernüchterung umherziehen, mit der Enttäuschung über ein Christentum, das mittlerweile als steriler, unfruchtbarer Boden angesehen wird, der unfähig ist, Sinn zu zeugen.“ (Papst Franziskus)

 

+ Manfred Scheuer, Bischof von Linz

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