Freitag 19. April 2024

Gedanken zum Palmsonntag - Lass mich dein Esel, deine Eselin sein, Christus!

Ein Impuls von Michael Mitter

Liturgische Texte vom 5. Fastensonntag

 

1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Mt 21,1-11 (Einzug Jesu in Jerusalem)
Matthäus-Passion: Mt 26,14-27,66
nachzulesen: hier (Schott online)

 

Liebe Pfarrgemeinde, liebe Leserin, lieber Leser,

 

störrisch, dumm und faul – der Ruf, der dem Esel vorauseilt, ist nicht unbedingt schmeichelhaft. Und wenn mir jemand „Du Esel!“ nachruft, so ist das wahrscheinlich auch nicht als Kompliment gemeint. Doch das Original ist besser als sein Ruf – wesentlich besser: Der Esel gilt als verlässlich und treu, als ruhig und besonnen, er erkennt Bedrohungen und wägt Situationen genau ab. Es heißt sogar, das Tier gibt Eselshaut und -haar, wenn es darauf ankommt. Welchem Umstand der Esel also sein schlechtes Image zu verdanken hat, ist mir schleierhaft.

Das eben Gesagte gilt natürlich nicht nur für den Esel, sondern natürlich auch für die Eselin; denn von einer Eselin spricht das Evangelium vom Palmsonntag: Als Ganzes genommen streut die Bibel dem Lastentier Rosen und räumt ihm vor allem im heutigen Evangelium viel Platz ein. Etwa die Hälfte des heutigen Schriftworts dreht sich um die Beschaffung einer Eselin und ihres Fohlens. „Der Herr braucht sie“ (Mt 21,3) würde man dem überraschten Besitzer ausrichten.

Feierliche Einzüge von Herrschern hoch zu Ross gehörten in der römischen Welt zum gewohnten Bild. Es ist nicht einmal unwahrscheinlich, dass sich auch der römische Statthalter Pontius Pilatus in diesen Tagen unter dem Jubel der Bevölkerung von Behörden und jüdischer Obrigkeit huldigen ließ. Politische Reden und entsprechende Jubelrufe gehörten ebenso zur Machtdemonstration wie das Ausbreiten von Kleidern und Zweigen vor den Füßen des Gefeierten.

 

 

Belustigt hätte der Statthalter von seinem hohen Ross herunterblicken können, als ein Mann auf einer Eselin und einem Fohlen unter Psalmen-Rufen das Stadttor passierte. Der gläubige Jude und gelernte Römer wusste jedoch, welche Sprengkraft diesem Geschehen innewohnte:

Mit den Worten „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin“ (Sach 9,9) kündigte einst der Prophet Sacharja das Kommen des Messias an: „Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der im Osten gegenüber von Jerusalem liegt. Dann wird der Herr König sein über die ganze Erde“ (Sach 14,4a.9a). Nun war es Jesus, der vom Ölberg kommend „im Namen des Herrn“ unter dem Jubel der Menschen in der Davidstadt einzog. Die Frage „Wer ist das?“ (Mt 21,10) klingt dabei wie eine Scheinfrage: Für einen gläubigen Juden zur Zeit Jesu ist die Eselin das Reittier des Messias; in der gleichen Manier deuten alle vier Evangelisten den Vorgang als Einzug des Messias in seiner Stadt und als Erfüllung der Prophezeiung Sacharjas.

Das Reittier des Messias ist ein einfaches Arbeitstier und kein edles Reitpferd wie es einem König entsprechen würde; der Esel ist ein alltägliches Nutztier für die bäuerliche Bevölkerung: Er treibt Brunnen und Mühlen an, er trägt Lasten in Weinberg und Olivenhain, er transportiert die Ernte zu den Märkten, zum Ackern wird er vor den Pflug gespannt. Ein Esel ist gewöhnlich. Er ist kein Tier für prunkvolle Aufmärsche, sondern für den Alltag der Menschen. Der Esel ist auch kein Schlachtross, das an der Spitze des Feldes in die Schlacht zieht. Der Esel dient dem Leben der Menschen.

Auf einer Eselin reitet unser Herr in seiner Stadt Jerusalem ein – um genau dieses Signal zu setzen: Ich bin kein Kriegsherr, ich bin ein Friedensfürst! Ich will nicht herrschen, sondern dienen! Ich will nicht Angst und Schrecken verbreiten, sondern Hoffnung bringen – und dem Leben dienen!

In einem Text zum heutigen Palmsonntag vergleicht dessen Autor den Esel mit unserer Kirche: Denn der Satz „Der Herr braucht sie“ (Mt 21,3), der damals der Eselin galt, gilt heute für uns Christinnen und Christen. Jesus braucht uns, um sein Evangelium zu den Menschen zu tragen, einen jeden und eine jede von uns. Weniger bei pompösen und medienwirksamen Auftritten, die mehr Inszenierung und Show als nachhaltig sind, sondern im Alltag, im täglichen Leben und an den Orten, wo wir unseren Tätigkeiten nachgehen. Dorthin sollen wir Jesus tragen. Der Dienst der Eselin war es damals, Jesus zu den Menschen zu tragen und den Messiaskönig sichtbar zu machen – das ist auch unsere Aufgabe! Nur durch uns wird Jesus Christus sichtbar!

„Lass mich dein Esel, deine Eselin sein, Christus!“ – Die evangelische Theologin und Dichterin Dorothee Sölle (1929-2003) veröffentlichte 1987 dazu folgendes Gedicht. Es sei hier abschließend wiedergegeben:

 

„Laß mich Dein Esel sein, Christus. …
Christus kommt nicht anders als durch solche Esel wie dich und mich. …
Wenn wir glauben, daß Christus einreiten kann, heute,
daß Leute ihn verstehen, daß er sich vermitteln lässt in unser Leben, …
dann nur durch uns“.

 

Michael Mitter,
Pastoralassistent

 

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