Die Legende vom Kornwunder
Die Menschen hatten ihn sehr gern, weil er oft bei ihnen war, mit ihnen gesprochen, gespielt und ihnen zugehört hat. Dann kam ein schlimmes Jahr, da fuhr der heiße Wüstensand über die Felder, er verbrannte das Gras auf den Weiden, die Früchte an den Bäumen verdarben und der Weizen verdorrte.
Bald gab es in der ganzen Gegend nichts mehr zu essen. In Myra brach eine große Hungersnot aus. Die Menschen verzweifelten. Nur einer blieb ruhig und tröstete die hungrigen Menschen – Nikolaus. Immer größer wurde der Hunger, die glühende Hitze immer stärker. Doch die Rettung war schon ganz nahe. Weit draußen auf dem Meer wütete ein heftiger Gewittersturm und trieb drei Schiffe in die Bucht von Myra. Sie kamen aus Ägypten und waren bis obenauf mit Weizen beladen.
Die Leute von Myra liefen zum Hafen und baten die Kapitäne der Schiffe, ihnen von dem Weizen zu geben, damit sie endlich wieder Brot backen könnten. Die Kapitäne schüttelten den Kopf: „So leid es uns tut, wir können euch nicht helfen: Der Weizen in unseren Schiffen ist Eigentum des Kaisers und wir müssen ihm das Korn in die Vorratshäuser bringen. Kein Gramm darf da fehlen.“
Die hungernden Leute von Myra baten und schrien: „Ihr müsst uns retten, wir sind vor Hunger schon ganz schwach.“ Aber die Kapitäne blieben hart: „Es geht einfach nicht. Der Kaiser lässt uns ins Gefängnis werfen, wenn wir euch von unserem Weizen geben.“ Mitten im Lärm begannen viele Stimmen nach dem Bischof Nikolaus zu rufen: „Hilf du uns, sprich mit diesen Leuten!“ Da trat Nikolaus aus der Menge hervor und sprach zu den Kapitänen: „Ich weiß, ihr habt einen schlimmen Sturm hinter euch. Gott hat euch beschützt und ihr seid sicher in den Hafen gekommen. Nun dankt ihm dafür und gebt diesen hungrigen Menschen in Gottes Namen Weizen, damit sie wieder Brot backen können.“
Die Kapitäne erwiderten: „Wir würden gerne mit euch teilen, aber der Weizen auf unseren Schiffen ist vor der Abfahrt genau gemessen worden. Wir müssen die Menge abliefern, die wir geladen haben.“
Daraufhin sprach Nikolaus: „Ich bitte euch aus ganzem Herzen: tut was ich euch sage. Ich verspreche euch, dass euch bei der Ablieferung des Weizens kein Körnchen fehlen wird.“
Da berieten die Kapitäne miteinander. Sie wollten dem Kaiser vom Bischof Nikolaus und von der großen Hungersnot in Myra erzählen. Dann schöpften sie Weizen aus den großen Schiffen, bis ein riesiger Berg im Hafen aufgetürmt lag. Von diesem Korn wurden alle satt und es blieb noch genug für die Aussaat übrig.
Die glücklichen Bewohner der Stadt bezahlten den Kapitänen alles Korn, das sie ausgeladen hatten.
Dann segelten die Schiffe wieder hinaus aufs Meer. Als sie einige Zeit später den Hafen mit den kaiserlichen Vorratshäusern erreichten und ihre Ladung übergaben erzählten sie, was vorgefallen war.
Später erzählten die Menschen, in den Schiffen habe kein einziges Körnchen Getreide gefehlt!