Sorge und Loyalität
Eine Mutter verliert ihren Sohn. Ein junger Mann verliert seinen Freund. In diese Situation hinein stiftet der am Kreuz sterbende Jesus mit seinen Worten „Frau, siehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter!“ eine Beziehung zwischen jenen, die ihn auf seinem letzten Weg begleiten und ihm im Sterben nahe sind.
Das dritte der sieben letzten Worte wurde und wird gerne ausgelegt als Ausdruck der liebevollen Fürsorge des Sohnes für jene, die zurückbleiben – seine Mutter Maria und seinen Jünger Johannes. Vielleicht ist diese Deutung jedoch zu eng. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem Auftrag an Maria und Johannes gleichzeitig auch der Auftrag an uns, einander liebevoll anzunehmen und verantwortungsvoll füreinander da zu sein: Schau hin – da ist eine Frau, die Dich braucht … sie sei Dir wie eine Mutter. Schau hin – da ist ein Mann, der Dich braucht … er sei Dir wie ein Sohn. Und zu diesem Blick auf den oder die neben uns lädt das dritte der sieben Kreuzesworte uns ein.
Das dritte der sieben letzten Worte Jesu lässt jedoch neben dieser Botschaft an die Zurückbleibenden (und auch an uns als Nachfolgende!) eine weitere Deutung zu. Denn es war gefährlich, bei einer Kreuzigung Mitgefühl und Verbundenheit mit dem Hingerichteten zu zeigen – man machte sich damit der Komplizenschaft verdächtig und riskierte das eigene Leben. Doch Jesus blieb nicht alleine zurück – seine Liebsten waren da. Sie hatten den Mut, Jesus bis ans Kreuz zu begleiten und ihm in diesen schweren Stunden beizustehen. Sie hielten diese Situation aus. Sie blieben bei Jesus, der sie sehen, mit ihnen sprechen und fürsorglich an sie denken konnte. Und wie es für die Zurückbleibenden tröstlich war, von Jesus noch im Tod getragen zu sein, so fühlte sich wohl auch Jesus getröstet – durch den Mut und die Loyalität der beiden.
Das dritte Wort Jesu – Zeichen für Sorge und Solidarität, Symbol für Menschlichkeit und Würde.
Stefanie Petelin | 23.03.2019