Heiterkeit und Wärme laden zum Verweilen ein
Sie finden mich an einem Platz, wo man sich durchaus fragen kann: Warum steht diese Domfrau hier?
Hinter mir die Bischofssakristei und ober mir die Statue der Hl. Gertrudis von Nivelles. Wir feiern ihren Namenstag am 17.März. Sie war Äbtissin und bemühte sich um die Bildung der weiblichen Jugend. All jene, die gerne im Garten werken, wissen um diesen Tag. Ihn sollte man nützen, um die ersten Samenkörner in die Erde zu legen. Sie ist daher nicht nur die Schutzpatronin der Gärtner, sondern auch der Armen und Kranken.
Eine Bauernregel lautet: „Gertraude nützt dem Gärtner fein, wenn sie kommt mit Sonnenschein.“
Licht und Wärme finden wir an vielen Stellen im Dom. Ich gehe mit Führungen seit Jahren durch den Dom und dieser Platz lässt mich immer wieder innehalten. Mich fasziniert das plötzlich Helle und Strahlende, wenn der Blick durch das Schmiedeeisengitter, vorbei am Hochaltar Richtung Westen zu den modernen Fenstern von Karl-Martin Hartmann streift.
Ein auffallendes Merkmal des Maria-Empfängnis-Domes sind seine Gemäldefenster. Diese fordern die Besucher des Gotteshauses schrittweise zum Lesen des Dargestellten auf. Entlang des Langhauses können wir die Diözesangeschichte und das Entstehen unseres Domes betrachten.
Die Hartmannfenster hingegen müssen mit Kreativität gesehen werden. Sie schaffen eine Raumqualität, die uns zum Verweilen einlädt. Ebenso sind sie ein großartiges Zeugnis zeitgenössischer Glaskunst von internationalem Rang. Jeder darf seine eigene Vorstellung entwickeln und kommt daher immer wieder zu neuen Entdeckungen. Die Farben spielen natürlich die größte Rolle, wie man von diesem Standort auch sehen kann. Farben sprechen unmittelbar das Gemüt von uns Menschen an und machen daher einen Ort der Stille und der inneren Sammlung.
Nicht ohne Grund stellte der Künstler seine Arbeit unter das Motto. „Hier ist gut sein“.
Seit 1995 bringen die Fenster Leichtigkeit, Heiterkeit und Wärme in den Dom. Durch die gewonnene Atmosphäre wird der sakrale Raum benutzbar gemacht. Der Künstler mit naturwissenschaftlichem Hintergrund versucht die Schöpfungsgeschichte sichtbar zu machen.
Die Fenster strahlen Ruhe aus. Sie sind modern und doch traditionell, wie es dem Kirchenraum gebührt. Das berührt mich besonders.
Gelb, Orangegelb, Orange und Orangerot, also warme Farben, entwickeln besondere Farbeffekte, wie man sie in einem neugotischen Gebäude selten zu sehen bekommt. In den orangeroten Feldern wird die Symmetrie schon miteinbezogen. Rot wirkt sehr aktiv und verdunkelt sich gegen Abend. In die blaue Sockelzone der Fenster integrierte der Künstler die damals neuesten Erkenntnisse der Kern- und Atomphysik. Blau ist tagsüber eher passiv entwickelt im Dämmerlicht ein ganz eigenes Flair.
Betrachtet man die Fenster noch genauer, erkennt man im Maßwerk einmal ein Siebeneck und im anderen ein eingeschriebenes Neuneck. Damit wird auch Bezug genommen auf die Zahlensymbolik im Christentum. Die heilige Zahl sieben ist uns bekannt. (7 Tage, 7 Todsünden, 7 Werke der Barmherzigkeit).
Neun ist die Zahl der Vollendung. (9. Stunde – Todesstunde Jesu).
Im linken Fenster z.B. erkennt man, dass der Künstler das schwarze Walzblei siebenmal als Kreuz eingesetzt hat. Im rechten Fenster entstehen in einem großen Feld auf verschiedenfarbigen kleinen Glasquadraten ganz erstaunliche Muster. Der strahlende weiße Spalt in der Mitte kann als Tür in eine andere Wirklichkeit interpretiert werden.
Lassen Sie die Farben auf sich wirken !