Schatzsuche
Mein besonderer Ort im Mariendom ist beim Katharinentor. Dieses Sinnbild für Katharina von Siena, das Patricia Karg aus Tirol gestaltet hat, verbindet mich mit meiner intensiven Zeit in der Katholischen Frauenbewegung. Die Domkirche ist seit 35 Jahren auch meine Pfarrkirche. An diesem Ort verbinden sich wichtige Bereiche meines Lebens.
Das Tor ist Sinnbild für das Leben von Katharina und soll ihren Mut und ihre innere Gottverbundenheit darstellen. Es soll darauf hinweisen, dass sie auch für uns heute Bedeutung hat. Katharina hat Dogmen und Normen in Frage gestellt. Sie hat durch ihre Kraft und ihren Mut, der aus ihrer Spiritualität, ihrer Gottesbeziehung gekommen ist Druck auf diese Dogmen ausgeübt. In diesem Kunstwerk werden Säulen gebogen und zum Tor. Wir können durch dieses Tor gehen und treten in Verbindung mit Katharina von Siena.
Katharina hat Gott mitten in ihrem Herzen entdeckt.
Für Katharina ist in ihrer inneren Zelle, in der Herzensmitte Gott immer da. Sie hat sich immer wieder in diese liebende Gegenwart gestellt. So hat sie auch Spannungen in ihrem Leben ausgehalten.
Mit geweitetem Herzen, klar und sanft, mitten in der Welt.
Katharina weiß sich geliebt und hat diese Liebe großzügig weitergeschenkt. Sie hat aus einer tiefen Verbundenheit mit Gott gelebt und kraftvoll mitten in der Welt gewirkt.
Katharina von Siena verbindet mich mit den Frauen der Katholischen Frauenbewegung, mit ihren geistlichen Begleiterinnen und mit den Frauen, die den Spuren Katharinas folgen. Sie verbindet mich auch mit den Frauen die Dogmen der Kirche biegen wollen, die für Geschlechtergerechtigkeit eintreten, und mit Frauen die sich für eine gerechtere, bessere Welt einsetzen.
Sie regt mich an, mein eigenes Leben in dieser inneren Zelle vor Gott zu stellen. Im innersten Kern meiner Person finde ich die Spuren Gottes. Katharina nannte das ihre innere Zelle, andere nennen das ihre Mitte, ihre Seele, ihr inneres Kind oder wie auch immer.
Ich finde viele Schätze in meinem innersten Kern. Da sind Liebe, Glaube, Mut, ein langer Atem, Dankbarkeit, Kraft und Demut. Da wird mir bewusst, dass ich geliebt bin und lieben kann, dass mir vertraut wird und ich vertrauen kann, dass Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle Menschen nicht allein von mir abhängten, sondern dass viele Menschen diese Vision haben. Da kann ich loslassen und mit meinen Schätzen frei die Welt gestalten. In meinem innersten Kern begegne ich Gott und da entstehen meine Visionen.
Dieses Bewusstsein meiner inneren Schätze beflügelt mein Leben immer wieder neu. Dort kann ich auch meine Defizite anschauen. Mein innerster Kern ist verletzlich, ich darf und muss ihn schützen.
Die Verbindung zu diesem innersten Kern, diesem Raum in mir und den Schätzen darin, muss ich immer wieder suchen. Dann schöpfe ich Kraft daraus. Dazu brauche ich den Rückzug.
Das können das Gebet, das Alleinsein, die Eremitage des Domes, Exerzitien, die Natur sein. Es braucht das Schweigen oder die Bewegung. Das Rundherum öffnet den Zugang zu meinem Innersten. Die Stille und das Langsam werden sind in der lauten und rasend schnellen Welt heilsam, weil sie die Begegnung mit mir selbst und mit Gott möglich machen. Manchmal sind diese Stille-Zeiten nur kurze Augenblicke mitten am Tag, es braucht aber auch längere Zeiten.
Diese Kraft, die von Innen kommt, öffnet mich für die Menschen und Dinge in der Welt, immer wieder mit einem Blick über meine irdische Zeit hinaus. Diese Kraft beflügelt mich in meinem Tun, sei es im Ehrenamt, in der Familie oder im Beruf. Sie durchdringt mein Leben. Da kann ich mit Katharina sagen: Ich bin Blut und Feuer.
Manchmal ist der Zugang zu meinem innersten Kern verschüttet oder verschlossen. Diesen Zugang wieder freizuräumen und mich aufzumachen in mein Innerstes hat manchmal einen Anlass, einen Anschub oder einen Menschen, der mir dabei hilft.
Einiges an Katharinas Leben regt mich auch auf und stößt mich ab. Sie ist magersüchtig, geißelt sich selbst, tritt für den Kreuzzug ein, sie ist ein Kind ihrer Zeit. Da frage ich mich wie sehr die Zeit und die Welt, in der ich lebe, mich bestimmt. Was erkenne ich aus dem Denken der heutigen Welt heraus als wahr und gut? Woran richte ich mein Leben aus? Wie werden spätere Generationen mein Leben sehen?
Wenn ich auf das Katharinentor zugehe, mich hineinstelle, dann fühle ich mich verbunden mit Katharina, spüre ihre Kraft und ihren Mut. Im Inneren dieses Tores entdecke ich den edlen Inhalt, das Gold des Himmels. Es zeugt von einem Innen und Außen, das miteinander verbunden ist. Der Bogen umgibt mich und ist wie ein Schutz, wie ein Mantel, der Geborgenheit spendet. Beim Durchschreiten des Tores öffnet sich Neues und ich nehme diesen Mut mit und die Dankbarkeit für die Frauen vor unserer Zeit, die es mir heute möglich machen mein Leben in großer Selbstbestimmtheit und in eigener Verantwortung zu leben.
Katharina wird dadurch zur Wegbereiterin. Sie eröffnet eine neue Sichtweise, einen Blick über das vordergründig Sichtbare hinaus und beim Durchschreiten gehe ich in Begleitung anderer wichtiger Vorfrauen meiner Kirche, denn ich bin hier in der Frauenkapelle in Gesellschaft von Katharina von Alexandrien, Agnes, Barbara, Agatha, Cäcilia, Lucia, Anastasia, Rosa und Angela. Im Mosaik darüber sind die klugen und die törichten Jungfrauen abgebildet.
Einige Sätze Katharinas habe ich immer wieder vor Augen. Da begleitet sie mich, wie eine Schwester, wenn sie sagt:
Die Liebe trägt die Seele, wie die Füße unseren Körper.
Ich sage euch, dass Liebe sich nur mit Liebe erlangen lässt.
Die Stunde ist kostbar, warte nicht auf eine spätere Gelegenheit.
Das Beginnen wird nicht belohnt, einzig und allein das Durchhalten.
Alles was uns in diesem Leben gegeben ist, ist nur zum Gebrauch und als Leihgabe übergeben.
Ich bin dankbar, dass es diesen Ort im Mariendom gibt und lade Sie ein durch das Katharinentor zu gehen, in Verbindung mit Katharina zu treten und ihren Mut und ihre Kraft in den Alltag mitzunehmen.