Voll Vertrauen durchatmen
Ich betrete den Dom durch das Turmportal. Ein Raum der Weite und der Höhe tut sich auf. In diesem Raum kann ich mich wiederfinden als eine, die viel Freiraum benötigt. Dieser Raum hat mir neue Heimat geboten, als ich durch meinen ganz persönlichen Prozess geprägt wurde.
Die Bänke sind noch ein gutes Stück entfernt.
Durchatmen tut jetzt einfach gut.
Dann den Blick nach vorne richten und nach oben –
kein blockierendes Element steht mir im Wege.
Ein gewaltiger Eindruck.
Und dann die Ruhe in diesem Raum: sie gibt mir Kraft und Energie und die Möglichkeit, bei mir selbst zu sein. Ich bin da, so wie ich bin. Ich bin eingeladen. Der Raum des Domes bietet mir Raum für meine inneren Werte und für meine Entfaltung. Keiner bestimmt hier mein Leben.
Auf der rechten Seite finden wir jetzt gleichsam die Geschichte des Domes, denn hier befindet sich das Fenster der Grundsteinlegung. Es ist mir als Domführerin bei den Führungen sehr wichtig. Dargestellt wird mittig Bischof Franz Josef Rudigier, darunter Dombaumeister Vinzenz Statz mit dem Maurerhammer in der Hand.
Dombaumeister Statz wollte damals Bischof Rudigier einen Kostenvoranschlag für dieses riesige Bauvorhaben machen. Der Bischof lehnte ab; er glaubte fest an seine Vision, hier einen großen Dom für alle Christen bauen zu können. Bürokratische Abläufe und eine lange Planungsphase, wie sie sonst üblich waren, lagen ihm fern. Mich fasziniert, dass er sein ganzes Vertrauen in Gott und die Menschen legte, die für ihren Mariendom die Spenden aufbringen würden.
Wie auf dem Fenster zu sehen ist, hat Bischof Rudigier den Grundstein 1862 gelegt. Er durfte die Fertigstellung des ersten Teils dieses Domes noch erleben.
Bei diesem Fenster frage ich mich immer wieder, was für mich Grund und Stein bedeuten. Der Grund meines Lebens ist, dass auch ich an eine Vision glaube.
Sie lautet: Gott richtet an alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Begabungen seine Botschaft. Dies ist das tragende Fundament meines Lebens.
Ein weiterer Grund ist hier für mich auch körperlich spürbar:
Hier ist Entfaltung möglich und Selbstbestimmung. Hier erlebe ich für mich Aufbruchsstimmung. Hier hat nichts mehr Platz, das das Leben abschnürt, sodass die Luft wegbleibt. Hier geht es nicht um Macht und wer Macht hat. Hier finden Frauen ihren Platz.
Zum Begriff Stein ist der Zugang in diesem neugotischen Bauwerk für mich buchstäblich greifbar, denn hier im Dom spüre ich innerhalb dieser Steinmauern ein wohltuendes, starkes und beschützendes Gefühl. Es ist wie daheim sein. Hier spüre ich: Gott ist mein Fels.
Der Dom bietet mir Raum mich als Domführerin zu entfalten. In den Gottesdiensten ist für mich der Raum, mit Wort und Stimme mit zu wirken. Durch mein persönliches Auftreten im Dom als Domfrau nehme ich jetzt den Raum für mich ganz persönlich ein. Dieser Raum wird mir nicht mehr genommen.
Mein Einsatz für das Projekt Domfrauen ist nicht zuletzt auch mein persönlicher Einsatz für das Dasein der Frau in der Kirche.
Das ist der Grund warum ich hier stehe.