Tagung „ju-can – Ich kann, wenn es mir jemand zutraut!“
Etwa hundert ZuhörerInnen lachen über die Offenheit des Burschen. Dann erst erfahren sie, dass es fast ein Wunder ist, dass er überhaupt über seine Probleme spricht.
Mittlerweile hat er auch eine Lehrstelle. Eine von vielen Erfolgsgeschichten von ju-can, des niederschwelligen Modellprojekts, das sich nun dem ersten Abschluss nähert. 17 TeilnehmerInnen mit zum Teil großen Benachteiligungen haben teilgenommen, derzeit sind noch sechs aktiv. Mit zwei Ausnahmen haben alle anderen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden.
Bei der Veranstaltung ging es aber nicht um eine Selbstbeweihräucherung, sondern um die öffentliche Diskussion über eine Misere: In Oberösterreich leben etwa 500 bis 1000 arbeitslose „U-Boot“-Jugendliche, die aufgrund verschiedenster Probleme von niemandem betreut werden.
„Wir haben Zwölfjährige mit Burn-out-Syndrom, motivierte arbeitslose Akademiker und bildungsferne Menschen ohne Perspektive“, warnt Beate Großegger, Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung: „Es geht um soziale Ausgrenzung, um Jugendliche im sozialen Niemandsland.“ Die breite Mittelschicht bröckelt, die Kanten werden schärfer. Großegger warnt davor, hier nichts zu tun und fordert ressourcenintensive politische Maßnahmen.
In die gleiche Kerbe schlägt Werner Leixnering, Leiter der Jugendpsychiatrie in der Landesnervenklinik. „Die häufigsten psychischen Probleme bei Jugendlichen sind Angststörungen.“ Sie brauchen individuelle und umfassende Begleitangebote und das Angebot sinnvoller Tätigkeiten mit sozialem Mehrwert.
„Das AMS könnte sich durch rechtzeitige Investitionen ihre zukünftige Stammkundschaft ersparen“ spitzt es ju-can-Trainerin Barbara Ecker-Derflinger zu, „eigentlich müsste man im Kindergarten anfangen.“ Die Kritik an der mangelnden Finanzierung und am reformbedürftigen Bildungssystem prägt auch die Diskussion mit VertreterInnen von Politik und Förderstellen. „Es wird künftig mehr Jugendliche geben, die es nicht in die Arbeitswelt schaffen. Unsere Instrumente reichen vielleicht, aber das Geld nicht“, sagt Soziallandesrat Josef Ackerl. Birgit Gerstorfer, die neue AMS-Landesgeschäftsführerin: „Wir sind aufgefordert, bedürfnisorientierte Angebote zu machen. Aber momentan werden unsere Mittel verknappt.“ „Wir leben in einer Geiz-ist-geil-Gesellschaft, das hat seinen Preis“, stellt Rudolf Riegler von der Lehrlingsabteilung der WKO fest. Jürgen Michelmayr von der ÖGJ findet die österreichische Bildungsdebatte derzeit „grauenhaft“.
„Wir dürfen Jugendliche nicht schon am Beginn ihres Arbeitslebens zurückweisen. Darum gibt es ja auch unser Projekt. Ich wünsche mir, dass wir im nächsten Jahr damit fortfahren können – derzeit ist etwa die Hälfte davon finanziert“, sagt Christian Winkler.
Tagungsbericht mit detaillierten Inhalten der einzelnen Programmpunkte