Stand 04.02.2021
Alle Informationen zu Kirche und Corona
- Allgemeine Rahmenordnungen der österreichischen Bischofskonferenz zur Feier der Gottesdienste
(wirksam ab 7. Februar 2021)
Eröffnungsimpuls Gabriele Eder-Cakl
Warum Menschen Sakralräume brauchen Veronica Gradl
Leerraum - Spielraum - Zwischenraum Albert Gerhards
Heiligkeit jenseits des Sakralen Christian Bauer
Heiligkeit des Profanen Christian Bauer
Symbolerfahrung im Sakralraum stiften Christoph Freilinger
Milieusensible Raumentwicklung Beate Schlager-Stemmer
Jugendkirche Linz Klemens Hager
Raumkonzept Haid Michael Pessenlehner
Tonspur "Kirchenräume weit denken" Hubert Nitsch/Elisabeth Kramer
Kirchenräume weit denken, Linz-Marcel Callo/Auwiesen, 28.-30. März 2019
Drei Tage lang loteten ExpertInnen, Diözesanverantwortliche und Pfarr-Engagierte die Möglichkeiten, eine Kirche wie Marcel Callo in Linz mit Leben zu füllen, aus.
Bischof Manfred Scheuer sagte in seiner Homilie beim Abendlob zu Beginn der Tagung, dass Räume spüren lassen, wie Menschen in ihnen miteinander umgehen: Liebevoll oder mit Spannungen; ob eine Kirche der Sammlung und dem Gebet dient oder ein Museum ist; ob sich Leidenschaft für Gott zeigt oder eine Beobachterrolle eingenommen wird.
Gabriele Eder-Cakl, Leiterin des Zukunftsweges, benannte die Popularität von Kunst, Kultur, Musik im Kirchenraum. „Menschen tragen aber auch ihre Lebenswelt in den Kirchenraum hinein.“ Und „sie schätzen lebensnahe Gottesdienste zu einer Zeit, wo sie hingehen können.“ Eder-Cakl lud ein, in Bezug auf die Kirchenräume mutig „Dinge zusammenzudenken, die wir normalerweise nicht im Entferntesten zusammenbringen.“
Veronica Gradl, Ärztin und Psychotherapeutin in Innsbruck unterschied die naturwissenschaftlich erfassbare „Realität“, von der der Wirklichkeit, die wir Menschen gestalten: ,,Das Heilige" sei nicht nur eine subjektive Erfahrung, sondern „gehört auf Dauer als tragendes Element zur Vollständigkeit unserer geistigen Möglichkeiten und ist für unseren Wirklichkeitsbezug zentral.“ Besonders berührte die TeilnehmerInnen, wie Gradl ihre Bewegtheit angesichts der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zeigte.
Albert Gerhards, Liturgiewissenschaft, Bonn: Leer-Raum - Spiel-Raum - Zwischen-Raum. Raumpotenziale entdecken für eine humane Gesellschaft. Prof. Albert Gerhards präsentierte die Kirchen als Hybridräume der Transzendenz, als kritische Räume und als Schwellenräume und zeigte auf, dass sich die Nutzungen von Kirchengebäuden in der Geschichte immer schon veränderten. Wallfahrtskirchen hatten z.B. ihre Hospize für PilgerInnen im Kirchenraum. Die Kirchengebäude haben auch in Zeiten spürbarer Säkularisierung eine Bedeutung in der Gesellschaft und für die Gesellschaft. Daher appellierte er, die Kirchen auch bei säkularer Nutzung zumindest in Teilen für Pfarrgemeinden und für Gebet und Gottesdienst zu erhalten.
Gerhards bezog sich auf Burg Rothenfels am Main. Der Rittersaal steht für die Liturgischen Bewegung der 1920-er Jahre: Die Gottesdienste so zu feiern, dass alle sie innerlich und leibhaftig mitvollziehen. Dafür steht der Name Romano Guardini. Dieser Gedanke durchdringt auch das weltberühmte Raum-Ensemble mit Rittersaal und Kapelle, das Rudolf Schwarz geschaffen hat.
Das Stadtteilzentrum Q1 in Bochum entstand aus einer evangelischen Gemeindekirche und beherbergt nun eine Friedenskapelle (Raum der Stille) für Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöse Prägung sowie Veranstaltungsräume, Büros und ein Kinder- und Jugendzentrum.
Christian Bauer, Pastoraltheologie, Innsbruck (Heiligkeit jenseits des Sakralen. Ein Blick auf St. Maria in Stuttgart - und darüber hinaus) stellte die sozialräumliche Öffnung einer Kirche vor: St. Maria in Stuttgart wurde von der Pfarre und einer ehrenamtlichen Stadtentwicklungsgruppe für den Stadtteil geöffnet und zu einer Ideenfindung eingeladen: „Wir haben eine Kirche – haben Sie eine Idee“. Einige Ergebnisse sind in einem Kurzfilm auf https://www.facebook.com/stmariaals beeindruckend und stimmungsvoll zusammengestellt. Leben ist in die Kirche eingezogen, die Zahl der sonntäglichen GottesdienstbesucherInnen hat sich vervielfacht. Die Frage ist: WEM GEHÖREN DIE KIRCHENRÄUME?
Theologisch unterschied Bauer die Begriffe sacer (Trennungslogik, kommt von secare, abschneiden; Trennung vom profanen) und sanctus (heilbringend) und stellte Raumgestaltung in einen heilsgeschichtlichen, soteriologischen Kontext: Es gibt heilige Sakralräume und heilige Profanräume, beide dienen der Erfahrung von Heil, der Reich Gottes-Botschaft Jesu Christi.
Die Grenze von sakral und profan wird nicht aufgehoben, sondern sowohl sakrale als auch profane Räume (kleine, große, innen, außen) stehen im Kontext der Heilsgeschichte.
Edeltraud Addy-Papelitzky plädierte für Kirchen als offene Räume, in denen mehr als Liturgie möglich ist.
Roland Mayr, Pfarrgemeinderatsobmann in Offenhausen, verglich den Übergang vom fantasievollen Impulsstart in St. Maria in Stuttgart „Wir haben eine Kirche – haben Sie eine Idee?“ (s.o.) zu einem guten Alltag mit der Entwicklung der Anfangsverliebtheit eines Paares zu einer tiefen, langen Lebensliebe.
Andere Musik im Kirchenräume: In der Mitte des Tages sang Kirchenmusikreferent Andreas Peterl mit seinen Ensembles u.a. ein deutsches Chanson und einen Tango von Kurt Weill.
Walter Klasz – im Dialog mit dem Raum
Architekt Walter Klasz erzählte am Beispiel eigener Kirchengestaltungen, wie die pfarrgemeindlichen Prozesse für neue und erneuerte Kirchen-Innenraum-Gestaltungen die Pfarrgemeinde bereichern und zusammenbringen. Er leitete eine Raumwahrnehmung in Marcel Callo an.
Als Orte standen zu Auswahl: Der Tabernakel, die Beichtbox, das Verkündigungsbild von Lydia Roppolt, das Altarbild, die künstlerische Gestaltung der „Sieben Worte Jesu am Kreuz“, der Kreuzgang, das Bild von Marcel Callo, das Fastentuch u.a. Dabei fiel der Kursgruppe auf, wie schnell Leerräume aufgefüllt werden – nicht immer zum Gewinn.
Das Symposium stellte sich auch den Herausforderungen eines traditionelleren Kirchen-Innenraumes (als Marcel Callo, das ja in die Räume einer früheren Tuchfabrik hineinentwickelt wurde). Der Fußweg zur (etwa 100 Jahre alten) Kirche St. Quirinus in Kleinmünchen gestaltete sich als sozialräumliche Wahrnehmungsstudie: Bei prächtigem Frühlingswetter erlebte die Symposiumsgruppe, wo sich in Auwiesen soziale Zentren bilden, wo Menschen verschiedenen Alters einander begegnen.
Christoph Freilinger, Liturgisches Institut Österreich: Symbolerfahrung im Sakralraum stiften
Welche Gestaltungen und Formen können den Menschen helfen, sich vom Unbegreifbaren der Wirklichkeit Gottes berühren zu lassen, zu erahnen, dass Gott im Spiel ist. Freilinger widmete sich grundsätzlich der Frage, wie „Raum“ entsteht. Räume werden ständig konstituiert, sind eine soziale Konstruktion. Was also macht einen Kirchenbau zum „Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeit“? Wie stiften wir Symbolerfahrung im Sakralraum: Hier scheint ihm „das Entscheidendste die gelebte authentische Praxis der liturgischen Handlungen“ zu sein.
Weinkenner Franz Mayr aus der Diözesanfinanzkammer präsentiert drei wundervolle Weine und leitete deren Verkostung an.
Der Weingenuss bot den Rahmen für Norbert Trawögers (Seit kurzem Künstlerischer Leiter des Brucknerorchesters) zauberhaftes Flötenspiel ...
... und den Kunstfilm über die Kirchen-Innenraumgestaltung in Heiligenberg bei Waizenkirchen von Elisabeth Kramer und Simon Hipfl. Das KünstlerInnenpaar unterlegte den Trailer für diesen Film mit einer arabischen Tonspur. (Link s.o.)
Beate Schlager-Stemmer, Referentin für Pfarrgemeindliches Bauen und Klemens Hager, Leiter der Jugendkirche Linz: Milieusensible Pastoral in Kirchenräumen
Wir sperren die Kirchen nicht zu, sondern öffnen sie – auf neue Zielgruppen hin: Z.B. für Jugendliche und Junge Erwachsenen in den temporären Jugendkirchen, z.B. im Hausruckviertel und in der Jugendkirche Linz; auf KünstlerInnen, die achtsam mit dem Sakralraum arbeiten wollen; auf BesucherInnen des Urfahranermarktes. Dazu braucht es die Möglichkeit, sich im Sakralraum zu bewegen; verschiedene Arten des Sitzens, Stehens, Herumgehens im Kirchenraum möglich zu machen.
Michael Pessenlehner, Technischer Leiter der Abteilung Kirchliches Bauen: Ein neues Raumkonzept für die Autobahnkirche Haid
In der Pfarrkirche Haid gelang eine für die Pfarrgemeinde gewinnbringende Raumreduktion: die ehemalige Wochentagskapelle der großen Zeltkirche aus den 60er Jahren wurde zu einem Pfarrsaal umgestaltet. Finanzausschussobmann Wilhelm Neuwirth berichtete von den Erfahrungen mit dem Umbau. Aus anfänglichem Widerstand wurde Begeisterung. Als Denkmöglichkeit präsentierte Pessenlehner den Einbau eines Gemeinschaftsraumes für Sitzungen und Gruppenarbeiten in eine gotische Kirche.
Hubert Nitsch, Leiter des Kunstreferates und Diözesankonservator: Kunst, Denkmal, Innovation.
Nitsch präsentierte in Form einer Tonspur eine Zusammenschau aller Disziplinen (Pastoral, Liturgie, Kunst, Architektur, Bautechnik, Finanzen), die bei Raum- und Gebäudegestaltungen tätig werden und wie diese zusammenarbeiten können. Link s.o.
In drei ExpertInnengesprächen gab es die Möglichkeit, die Impulse zu vertiefen, auf die eigenen Wirklichkeit in den Pfarrgemeinden zu konkretisieren und miteinander in Beziehung zu bringen.
Im ExpertInnengespräch „Kunst Innovation Denkmal“ präsentierte sich Hubert Nitsch als Experte für zeitgenössische Kunst. Das Gespräch und der Bildungsprozess der KünstlerInnen mit den Pfarrgemeinden sei eine „spannende und fruchtbringende“ Herausforderung für beide Seiten. TeilnehmerInnen wünschten sich eine „Entrümpelung“ sakraler Gebäude. Dafür braucht es Expertise zur Unterscheidung von Kunst und Kitsch.
ExpertInnengespräch „Pastoral und Liturgie.“ Mit Albert Gerhards, Beate Schlager-Stemmer, Willi Vieböck. Kunstreferentin Martina Gelsinger wies darauf hin, dass die Kirche als den Alltag übersteigender Raum mit (zumeist) hoher künstlerischer Qualität und Symbolkraft noch mehr für kirchliche Handlungen genützt werden soll: Aufbahrung der Verstorbenen beim Trauergottesdienst, Erstbeichte/Bußfeier in der Kirche Schulgottesdienste in der Kirche, Andachtsbereiche schaffen, Orte zum Kerzenanzünden, spezielle Trauerorte u.a. für individuelle BesucherInnen. Es geht nicht darum, die Kirche zu retten, sondern um die Frage: Was braucht unsere Pfarrgemeinde? Vor dem Bauen steht das pastorale Konzept, der dazugehörende Bildungs- und Entwicklungsprozess soll in Kooperation der Fachstellen auch mit Blick auf die Nutzung konzipiert und in der neuen Bauordnung verankert werden. Schließlich: Die Finanzierung muss auf die Beine gestellt werden können. Und: Eine spannende Frage tauchte auf: Was kann unsere Kirche noch? (Nicht im Sinn von gerade noch, sondern zusätzlich).
ExpertInnengespräch Bau und Architektur mit Michael Pessenlehner: Maria Raith verwies auf technische Neuerungen wie z.B. neue Heizsysteme, die für begrenzte Flächen im Raum ein schnelles Beheizen möglich machen. Kunstreferentin Eva Voglhuber betonte in Bezug auf Denkmalschutz / Denkmalpflege darauf hingewiesen, dass bei rechtzeitiger Einbeziehung der zuständigen Stellen meist eine pastoral und liturgisch adäquate Lösung gefunden werden kann.
Resüme Gabriele Eder-Cakl, Leiterin des Zukunftsweges (Mitte) In Ihrem Resümee der Tagung schlug die Leiterin des Zukunftsweges Gabriele Eder-Cakl vor, die Nutzung von Kirchenräumen auf alle vier Grundfunktionen Liturgie, Diakonie, Verkündigung und Gemeinschaft auszudehnen.
Zusammenstellung: Beate Schlager-Stemmer, 13. April 2019