Tuesday 24. June 2025

Pastorale Herausforderungen gemeinsam reflektieren

Beim alljährlichen Ökumenischen Theologischen Tag beschäftigten sich am 15. Mai 2025 in der gut gefüllten Bischofsaula des Priesterseminars evangelische, katholische, orthodoxe, altkatholische, neuapostolische und evang.-methodistische Seelsorger:innen mit Fragen der Taufpastoral.

Superintendent Gerold Lehner begrüßte mit der oft gestellten Frage: Woran krankt die Kirche? Für Lehner sind nicht Säkularisierung, Pluralisierung und Individualisierung für die Kirchenkrise allein verantwortlich, sondern auch die Frage nach der Qualität der Kirche. Am Beispiel der Taufpastoral wird diese Frage akut. Sie sei "am Ende, sie ist nicht mehr zu verantworten". Deshalb fordert Lehner eine neue Taufpraxis. Es geht darum, die Menschen, die die Taufe für ihre Kinder wünschen, als Beziehungsangebot wahrzunehmen, denn in der Krise wird die Frage nach der Taufe zur Überlebensfrage.

 

Superintendent Gerold Lehner / © Gudrun Becker


Bischof Manfred Scheuer knüpft hier an, wenn er feststellt, dass die Eltern, die ihr Kind zur Taufe bringen, es mit dem Göttlichen in Kontakt bringen wollen, unbeschadet der diffusen Heilsorientierungen, die heute Menschen zugleich mitbringen. Die Kirche wäre schlecht beraten, wenn sie den Wunsch nach Segen und Heil nicht ernst nehmen würde. Mehr als Sakramente und das Wort Gottes suchen heute Menschen nach Segen. In diesem Impuls wird auch ein Versäumnis der Kirche sichtbar: der Bezug zur ganzen Schöpfung, zum Wirken Gottes im Leben wurde nicht genügend deutlich gemacht. Doch der Segen ist das Zeichen des Bundes Gottes mit dem Menschen. In der Taufe wird dieser Segen schöpfungstheologisch und heilsgeschichtlich greifbar: Die Taufe ist nicht primär ein Natursakrament, sondern ein Sakrament des Lebens und der gelungenen Schöpfung. Es ist ein Einspruch gegen die nihilistische Sicht des Lebens, dass mit dem Tod alles aus ist, dass der Mensch letztlich nichts ist. Darum ist auch für Bischof Manfred die Taufpastoral ein Schlüssel für die Lösung der Kirchenkrise.

 

Bischof Manfred Scheuer / © Gudrun Becker

 

Der evangelische Theologe Dr. Patrick Todjeras aus Wien diagnostizierte in seinem Referat den Monopolverlust der christlichen Kirchen in Sachen Ritualkompetenz. Auf dem religiösen Markt gibt es inzwischen viele Konkurrenten. Wie kann Kirche ihre Ritualkompetenz wiedergewinnen? Ein Versuch war das deutschlandweite Projekt der "Tauffeste". Ausgelöst durch die Coronakrise suchte man nach neuen Wegen, die Bedeutung der Taufe wieder ins Bewusstsein zu haben. Um das Fest des Hl. Johannes wurden deshalb an Seen, Stränden, Freibädern und anderen Orten mit Bezug zu Wasser Tauffeiern veranstaltet. 66 000 Besucher:innen nahmen teil, über 3 000 Menschen ließen sich taufen, 90% waren Kindertaufen, 7% Jugendliche und 3% Erwachsenentaufen. Die Erlebnisdimension der Tauffeier stand im Zentrum, sie steigerte die Aufmerksamkeit immens. Todjeras deutet dieses Projekt als "Riskierende Kirche in der Öffentlichkeit", die den Weg zu den Menschen, die nicht im engen Kontakt zur Gemeinde standen, sucht. Die spontan entstandene Kasualgemeinde der Tauffeste ergänzte die Ortsgemeinde und verlieh ihr neue Wirksamkeit. Das Tauffest wurde zum Anlass für die eigene Tauferneuerung, eingebettet in einen Ausflug ins Grüne. Ein anderes Phänomen ist die Zunahme von Erwachsenentaufen in Frankreich unter der Generation X (Geburtsjahrgänge 1995-2005) oder das quiet revival in der Anglikanischen Kirche, wo sich die Taufbereitschaft dieser Generation verdoppelt hat.

 

Theologe Dr. Patrick Todjeras aus Wien / © Gudrun Becker


Gegenüber diesen Phänomenen fragte Todjeras aber auch kritisch zurück: Ist nicht die verbindliche Gemeinde das Ziel der Taufe? Braucht nicht das Ergreifen des Christseins eine regelmäßige Verbindung zur Gemeinde? Wie gelingt der Brückenschlag von der punktuellen Gemeinde zur verbindlichen Gemeinde? Erst hier stellen sich durchaus schwergewichtige Fragen, denn trotz Taufbereitschaft fühlen sich viele Eltern und Pat:innen für die religiöse Erziehung des Kindes nicht verantwortlich. Die Spannung zwischen einer niederschwelligen Zugänglichkeit und Anspruchslosigkeit und des Anspruchs der Taufe selbst ist offenkundig. Wohlfühlmomente müssen nach Todjeras ernst genommen werden, sie sind evangeliumskonform, aber ebenso ist der Widerspruch des Evangeliums, dessen Provokation ernst zu nehmen.

 

Der emeritierte Dompfarrer Dr. Maximilian Strasser erschloss in seinem Referat den theologischen Gehalt des katholischen Taufrituals. Entlang des Schemas des Sakraments der Taufe zeigte Strasser die grundlegende Bewegung im Ritual des Untertauchens und Auftauchens als ambivalente Bewegung des Lebens hinein in den Tod und hinaus ins Leben durch die Auferstehung Jesu Christi, so wie es der Apostel Paulus schon im Römerbrief theologisch deutete. In der Taufe kommen grundlegend vier Symboldimensionen zum Tragen: die Zusage nach Schutz und Heil durch Gottes Segen; die Hoffnung, dass das Leben in die richtige Richtung geht; die Nachfolge Jesu und die Gemeinschaft der Kirche. Im Taufritual hat auch die Bewusstwerdung, dass wir im Schatten des Bösen stehen, eine wichtige Bedeutung. Menschen erfahren das Böse als ein vom bösen Anderen "eingetaucht werden". Das Böse ist konkret, es begegnet im Anderen, der Böses antut. Die Taufe markiert im Auftauchen aus dem Wasser eine Gegenbewegung, die Zusage, dass das, was das Leben einschränkt, nicht unüberwindlich ist. Strasser hob hervor, dass das II. Vatikanum die zentrale Rolle der Eltern in der Einführung ins religiöse Leben des Kindes betonte. Als Ersatz für das Katechumenat wurde das Taufgespräch und das Versprechen der religiösen Erziehung ins Bewusstsein gebracht. Hier gelte es anzusetzen und weiterzuarbeiten.

 

Dr. Maximilian Strasser / © Gudrun Becker

 

Einen Blick in die orthodoxe Taufpraxis zeigte Assoz.-Prof. Dr. Ioan Moga von der rumänisch-orthodoxen Kirche in Wien. Für Moga ist der Begriff "Krise" durchaus ambivalent, man vergesse leicht, dass hier oft zu schnell eine pessimistische Perspektive Platz greift. Hatte die Kirche vor 200 Jahren weniger Krisen? Gibt es überhaupt eine ideale Taufpastoral? Es gilt immer auch, sich bewusst zu machen, dass Taufe zutiefst mit dem Mysterium des Menschen und mit dem Mysterium Jesu Christi zu tun hat. Darin waltet eine Dimension der Unverfügbarkeit und Geschenkhaftigkeit, die wir nicht im Griff haben. Letztlich sagt die Taufe auch nichts über den biographischen Weg des Täuflings aus. Anschaulich und mit Bildern des Taufgeschehens schilderte Ioan Moga den Ablauf des orthodoxen Taufrituals mit wechselnden Orten, die sich von der Vorhalle, zur Mitte und zur Ikonenwand vor dem Altar bewegt. Im Unterschied zur römisch-katholischen und evangelischen Taufe ist im orthodoxen Taufritus die Einheit von Taufe, Firmung und Erstkommunion noch gegeben. Umfassend ging Moga aber auch auf die Probleme der orthodoxen Taufpastoral ein: ein Teil der Kirchenglieder habe nach wie vor ein magisches Bewusstsein von der Taufe; noch immer gibt es Taufen, die nicht in der Volkssprache gefeiert werden, dementsprechend können die Taufeltern und -pat:innen das Geschehen auch nicht sprachlich nachvollziehen. Ein anderes Problem ist, dass die vor der Taufe stattfindenden liturgischen Gebetsmomente, 8 Tage und 40 Tage nach der Geburt, oft wichtiger sind als die Taufe selbst. Hier gelte es in der Taufpastoral neue Akzente zu setzen. Worum es aber vor allem geht, versuchte Moga im Begriff der Achtsamkeit und Wachsamkeit zu verdeutlichen. Das Taufgeschehen ist zwar der Beginn eines Weges hinein in das christliche Leben, aber in der Tauffeier ereignet sich immer auch etwas Einmaliges, Epiphanisches. Mit Wachsamkeit wird diese Ebene erfahrbar. Darum ist die Feier der Taufe so gut als möglich zu vollziehen.

 

Assoz.-Prof. Dr. Ioan Moga / © Gudrun Becker


Am Nachmittag gaben katholische und evangelische Seelsorger:innen Impulse zu spezifischen Aspekten der Taufpastoral und berichteten von ihren Erfahrungen. In Gruppenarbeiten vertieften die Referent:innen gemeinsam mit den Teilnehmenden diese Themen und tauschten Erfahrungen, Ideen und Hinweise aus.


Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer (design. Pastoralvorständin der kath. Pfarre Raum Wels und Seelsorgerin in Wels/St. Franziskus) fokussierte auf das Thema der milieusensiblen Gestaltung des Taufgesprächs und der Taufe selbst. Sie tauschte sich mit den Teilnehmenden über „Ekelgrenzen“ zwischen den Milieus aus, sowie über die Bedeutung des eigenen Standortes und des eigenen Zurücknehmens.

 

Mag.a Angelika Gumpenberger-Eckerstorfer / © Gudrun Becker


Mag. Peter Pall (Pfarrer der Evang. Pfarrgemeinde A.B. Linz-Urfahr) betonte das Beziehungsgeschehen und berichtete auf welche Art und Weise der Beziehung- und Gemeinschaftsaspekt der Taufe in seiner Gemeinde erfahrbar wird: z.B. durch die „Tauftropfen“ in Form eines Glastropfens und von begleitenden Heften für die Eltern.

 

Mag. Peter Pall (Pfarrer der Evang. Pfarrgemeinde A.B. Linz-Urfahr) / © Gudrun Becker


Mag. Dominik Stockinger (Referent für Sakramententheologie und Seelsorger der kath. Pfarrgemeinde Urfahr-St. Magdalena) überschrieb seinen Teil mit dem Titel „Wenn die christliche Taufe ins Wasser fällt und die freie Taufe Wellen schlägt – Impulse aus Willkommens- und Namensfeiern für die Feier der Kindertaufe“ und analysierte gemeinsam mit den Teilnehmenden diese Angebote.

 

Mag. Dominik Stockinger (Referent für Sakramententheologie und Seelsorger der kath. Pfarrgemeinde Urfahr-St. Magdalena) / © Gudrun Becker


Mag.a Anna Vinatzer (Pfarrerin der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Floridsdorf) gab Einblicke in die von ihr mitgestaltete „Donautaufe“ in Wien im vergangenen Jahr. Die theologischen und seelsorglichen Hintergründe interessierten die Teilnehmenden genauso wie auch Fragen der praktischen Umsetzung.

 

Mag.a Anna Vinatzer (Pfarrerin der Evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Floridsdorf) / 

 

Weitere Fotos vom Ökumenischen Theologischen Tag in der Bildergalerie


Franz Gruber / Gudrun Becker

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