Freitag 29. März 2024

"Im Schaufenster" - Ein besonderes Dach

Die Filialkirche Hl. Stefan in Buchberg am Attersee

Ein besonderes Dach

Die Filialkirche Hl. Stefan in Buchberg am Attersee

 

Die Gestalt eines Gebäudes wird von seiner Dachform wesentlich mitgeprägt. Bei ein und demselben Baukörper würde sich durch eine massive Änderung seines Daches auch sein Gesamteindruck völlig verändern. Was wäre ein barockes Schloss ohne seine Mansarddächer oder eine gotische Kirche ohne sein Steildach? Vor allem bei Kirchen verbirgt sich unter der von außen sichtbaren Dachhaut oft noch eine historische, meist aufwändig gezimmerte Konstruktion. Diese Dachwerkskonstruktion wird landläufig auch als Dachstuhl bezeichnet und entzieht sich in der Regel den Blicken der Kirchenbesucher/innen, da man sie meist weder von außen noch vom Kircheninneren aus sieht.

Um den Dachwerken auf die Spur zu kommen ist es notwendig, auf die Dachböden der Kirchen zu steigen. Dort verbergen sich im Dunkeln die unterschiedlichsten Konstruktionen. Dabei ist oft für Überraschung gesorgt, denn auf den heimischen Kirchen findet man Dachwerke aus den unterschiedlichsten Epochen und in den unterschiedlichsten Gestalten. Gotische Kirchen beherbergen nicht zwangsläufig auch gotische Dachstühle. Der Stil der Dachwerke ist im Verhältnis zur übrigen Architektur schwer ablesbar, weil ihre Entwicklung im wesentlichen bereits im Mittelalter abgeschlossen war. Danach kamen kaum mehr große Erfindungen hinzu und die Konstruktionen blieben bis herauf zum 20. Jahrhundert sehr ähnlich. Das erschwert auch ihre Erforschung. Die Zimmerleute verließen sich bis ins 19. Jahrhundert bei ihren Konstruktionen auf die überlieferten Traditionen, denn statische Berechnungen waren ihnen noch unbekannt.

Ein gut erforschtes und als spätmittelalterlich belegtes Dachwerk von besonderer Güte findet man auf der Filialkirche Buchberg am Attersee. Diese Kirche wurde um 1500 errichtet und in den Jahren 1716 bis 1717 erweitert und barockisiert. Deshalb findet man unter einer gemeinsamen Dachhaut zwei Dachwerke aus unterschiedlichen Epochen. Über dem östlichen, dem älteren Teil der Kirche, hat sich ein Dachwerk erhalten, das besonders aufwändig gezimmert wurde und auch für damalige Verhältnisse massiv überdimensioniert ist. Diese Konstruktion ragt mit ihren zahlreichen Säulen, Streben, Bändern, Zügen und Überkreuzungen in Relation zu ihrer geringen Spannweite aus dem Fundus der mittelalterlichen Dachwerke deutlich heraus. Es handelt sich um ein für diese Zeit typisches Kehlbalkendachwerk mit stehenden Stühlen, wobei die Anzahl der Stühle und die daraus resultierenden Verstrebungen das Besondere sind: das Dachwerk weist einen vierfach stehenden Stuhl im ersten und einen zweifach stehenden Stuhl im zweiten Geschoß auf, sowie Spitzsäulen in der Mitte. Betrachtet man die Pläne des Längs- bzw. des Querschnittes wird sofort deutlich, wie viel Holz hier verbaut wurde. Aufgrund seiner Mannigfaltigkeit gilt dieses solitäre Filialkirchendachwerk als ein besonderes Kleinod, dessen Herkunft noch genauer erforscht werden sollte.

 

Jürgen Wurzer

Dachwerkskataster der oberösterreichischen Filialkirchen, Diplomarbeit an der KU Linz, März 2015

 

 

 

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