Dienstag 16. April 2024

„Vermisst. Worüber Kriegerdenkmäler schweigen.“

Stein gewordenes Gedenken an die beiden Weltkriege findet man in beinahe jedem Ort. Die dort genannten „Helden und Opfer“ sind Soldaten, ungenannt bleiben Opfer von Euthanasie und Vernichtung, Verfolgte oder zivile Opfer. Auch Hinweise auf Täterschaft fehlen meist. Wie kann in unserer veränderten Sicht der Geschichte eine pietätvolle Haltung der Erinnerung zum Ausdruck kommen?

 

 

Die Toten der Kriege konnten häufig nicht in ihrer Heimat bestattet werden – so gab es keine Gräber für die Angehörigen, und die Denkmäler übernahmen die Funktion der Erinnerungsorte und Hilfe für die Trauerarbeit der Angehörigen. Oft waren die Denkmäler von der Kirche gesegnet bzw. im Bereich des Friedhofes aufgestellt.

 

Darüber hinaus dienen die Denkmäler der Identitätsstiftung der Überlebenden, indem sie Erinnerungswürdiges definieren. In ihrer Formen- und Materialsprache drücken sie traumatischen Verlust und Trauer aus, ebenso Wertschätzung bis hin zur Idealisierung der Toten.

 

Jedes Totengedenken im öffentlichen Raum ist auch politisch und Ausdruck der Zeit, in der es geschieht. Das war mit ein Grund dafür, dass im Zweiten Weltkrieg der Gefallenen- und Heldenkult stark forciert wurde; die gemeinsamen Gefallenen-Ehrungen in den Orten wurden von der NSDAP für Durchhalteparolen instrumentalisiert.

 

Denkmäler besetzen Zeitschichten, die rückwirkend ausgegraben werden. So wurden zwischen 1945 und 1949 Denkmäler für Widerstandskämpfer errichtet; ein Hintergrund war auch, diese für den österreichischen Gründungsmythos zu gebrauchen – nämlich dass Österreich das erste Opfer des deutschen Reiches war. Als WiderstandskämpferInnen galten aber nur jene mit einer Waffe in der Hand, nicht jene die zum Beispiel Juden und Jüdinnen versteckt hatten. Erwähnt wurden auch nicht jene, die Beziehungen mit Zwangs-arbeiterInnen eingingen und dafür deportiert wurden, Zeugen und Zeuginnen Jehovas, Roma, Sinti, Deserteure, Homosexuelle und andere Verfolgte. All diesen Menschen blieb außerdem auch die längste Zeit die Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz verwehrt.

 

Als 1948/49 mit dem „Minderbelasteten-Gesetz“ 500.000 NationalsozialistInnen wieder zur Wahl zugelassen wurden, begann das Buhlen der Parteien um deren Stimmen, und die oben genannten Opfer verschwanden aus dem Blickfeld der Politik bzw. waren unangenehm für diese. Zwischen 1950 und den 1990 Jahren wurden keine Denkmäler für politisch Verfolge mehr errichtet. In dieser Zeit wurden Soldaten als Helden und Opfer des Krieges verehrt; unzweifelhaft waren viele Soldaten Opfer, aber die Frage nach der (Mit-)Täterschaft wurde ausgeklammert. Auch die Katholische Kirche sah es als Pflicht  ihre Mitglieder, der staatlichen Obrigkeit auch im Kriegsfall zu gehorchen. Diese Sichtweise änderte sich mit dem II. Vatikanischen Konzil.


Die Ortsgruppen des Kameradschaftsbundes gaben den heimgekehrten Soldaten psychosozialen Rückhalt und übernahmen die Deutungshoheit über die Denkmäler.

Welche Funktion haben die Denkmäler heute? Sie sollen die Gedenkenden anregen, sich mit der Geschichte, mit dem Folgen von Kriegen und seinen Opfern auseinanderzusetzen. Dafür eignen sich die bestehenden Kunstobjekte nur bedingt – aus unserer heutigen Sicht auf die Geschehnisse müssen sie ergänzt werden; mit anderen Kunstwerken, mit „Gegendenkmälern“ oder zumindest mit Ergänzungstafeln, die zum alten Denkmal eine neue „Zeitschicht“ und Sichtweise hinzufügen.

 

Beiträge aus einer Veranstaltung am 22. April 2014 im Bildungszentrum Maximilianhaus, Attnang-Puchheim


ReferentInnen: Dr. Christian Fuhrmeister, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München; Dr.in Helga Embacher, Historikerin, Universität Salzburg; Mag. Maximilian Mittendorfer, Bischofsvikar; Benno Schinagl, Büroleiter des OÖ. Kameradschaftsbundes.


Veranstalter: Kunstreferat der Diözese Linz, Sozialreferat der Diözese Linz, Pax Christi Oberösterreich, Bildungszentrum Maximilianhaus.

 

(ag-e, Sozialreferat)

 

Bild: Schwanenstille, Pinzgau, podgorschek, 2010

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