Freitag 19. April 2024

DIE INNERE DYNAMIK VON LITURGIE

WIRD RAUMGESTALT

 

 

Theologische Bewertung

 

Liturgie ist ein gemeinschaftliches Ereignis mit einer bestimmten Rollenverteilung und Ablaufstruktur. Deshalb bemisst sich die Qualität der Innengestaltung eines Kirchenbaus daran, inwieweit sie die liturgischen Feiern räumlich vorstrukturiert. Der von Kuehn Malvezzi und Zobernig gestaltete Raum lässt – nach dem einhelligen Urteil der Fachjury – die innere Dynamik der Eucharistiefeier leiblich im Raum erfahren: „Leitungs- und Gemeindesitze, Verkündigungsort und Altar bilden ein Spannungsfeld, in dem die Positionen und Wege, die Gesten und Handlungen der Akteure und der Feiernden den erlebten Mitvollzug aller unterstützen".

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Die Formulierung stammt vom Liturgietheologen Domkurat Dr. Josef Keplinger. Er hat im Vorbereitungsprozess betont, dass die Eucharistiefeier nicht nur den Tisch des Wortes und den Tisch des Mahles kennt, sondern sich im Spannungsfeld von vier Positionen – Leitungsitz und Gemeindebereich, Verkündigungsort und Altar – abspielt“.

Der Plan zeigt die künftige liturgische Hauptzone in der Vierung: Gemeindebänke und Leitungssitze bilden von vier Seiten das äußere Spannungsfeld, in dessen Zentrum Altar und Ambo wie die Brennpunkte einer Ellipse stehen. Hinter den Leitungssitzen schließt sich die beruhigte Zone für die Dommusik bzw. für Stundengebet und Meditationsgottesdienste an.

 

 

Die Intervention, die die neue „Altarinsel“ im Großraum des Doms darstellt, spricht ihre eigene ästhetische und spirituelle Sprache: Die Skulpturen sind unverkennbar gegenwärtig und dabei doch ganz zurückgenommen und dienend. Mit der traditionellen, für die Gläubigen vertrauten religiösen Semantik, die im Raum sonst allenthalben vernehmbar ist, treten sie in einen ruhigen und respektvollen Dialog.

 

Ein Charakteristikum der geplanten Raumgestalt erscheint dabei im Blick auf eine heutige „Theologie der Verkündigung“ besonders relevant: Die Besonderheit der neuen „heiligen Orte“ wird für BesucherInnen nicht durch die architektonischen Mittel von Distanzierung und Unzugänglichkeit ausgedrückt: Altar, Ambo und Leitungssitze bieten sich allen, die ihnen nahe kommen wollen, gleichsam ungeschützt dar. Ihre Gestalt, Position und Lichtinsze-nierung wird aber eine Aura entstehen lassen, deren Wirkung nicht nur Gläubige erreicht, sondern auch Menschen, die Religion nicht mehr (oder: noch nicht) aus eigener Erfahrung kennen. Dies ist gebaute, elementare Verkündigung: Zeugnis dafür, dass Gottes Zuwendung allen Menschen – nicht nur den Frommen und den Experten – ganz nahe und jederzeit erreichbar ist.

 

Mariendom Altarraumgestaltung - neu Rendering

Blick durch das Querschiff (zum Vergrößern auf das Rendering klicken)

 

 

Raum für Vielfalt

 

Der Mariendom ist nicht nur Kathedralkirche des Bischofs und Leitkirche der Diözese, er ist auch Pfarr- und Gemeindekirche, in der „Sonntag für Sonntag mindestens vier verschie-dene, sozial sehr unterschiedliche Gottesdienstgemeinden ihre Ansprüche stellen, was sich auch in durchaus heterogenen Ästhetiken ausdrückt“.

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Das Zitat stammt von Dompfarrer Dr. Maximilian Strasser, der die Diversität auf folgende Formel brachte: „Kinderliturgie und 10-Uhr-Hochamt, Gottesdienst der afrikanischen Community und abendliche Lebensquell-Messe …“

Die Ermöglichung von Vielfalt ist nicht nur ein Postulat der Praxis, sie ist auch ein theo-logisches Qualitätskriterium: Das neue Raumkonzept fördert liturgische Diversität. Es ordnet stimmige Raumzonen, schafft großzügige Bewegungsfelder und macht weite Durchsichten frei: Die bischöfliche Großliturgie ebenso wie die intime Abendmesse, der Kindergottesdienst und das tägliche Rosenkranzgebet werden davon profitieren. Aber auch die Feier des Stundengebets und Meditationsgottesdienste erhalten jetzt einen Ort, an dem sie sich in ihrem Eigenwert entfalten können.

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Übrigens: Den kirchenamtlichen Vorschriften zur Gestaltung von Altar, Ambo und Bischofskathedra hatte die bisherige Gestaltung nur in recht „provisorischer“ Weise entsprochen. Mit der Neugestaltung werden sie umgesetzt.

Als mitten in der Stadt gelegener „AndersOrt“ hat der Mariendom auch außerhalb liturgischer Feiern und über die Grenzen konfessioneller Kirchlichkeit hinaus Bedeutung. Nicht nur Gläubige aus nah und fern kommen, um hier zu beten, um ein Opferlicht zu entzünden oder um Maria, die Mutter Jesu, zu grüßen. Tag für Tag wird er von einer stetig wachsenden Anzahl von Menschen besucht, deren Motivation nicht im engeren Sinn religiös oder christlich ist: Touristen aus aller Welt lassen sich von seiner Größe und vom Ebenmaß seiner Proportionen beeindrucken. Viele Passanten aus der Stadt – auch solche, die der katholischen Kirche kritisch gegenüberstehen – suchen hier Momente der Unterbrechung ihres Alltags und gewinnen Erfahrungen des Aufatmens und Sich-Aufrichtens. Die künftige Innenraumgestaltung unterstützt auch diese Funktionen.

Baudokumentation
Neuer Raum im Neuen Dom
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Katholische Kirche in Oberösterreich
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