"Handwerk, Digitalisierung & Vermittlung"
Erstmals findet von 24. bis 28. September 2024 in Linz die Dombaumeistertagung der Europäischen Vereinigung der Dombau-, Münster- und Hüttenmeister mit rund 120 Teilnehmer*innen aus ganz Europa statt.
Unter dem Titel „Handwerk, Digitalisierung und Vermittlung“ lädt die Bischof-Rudigier-Stiftung heuer anlässlich des 100-jährigen Weihejubiläums der größten Kirche Österreichs zu dieser Tagung ein, die dem jährlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch unter den Domhüttenmeister*innen und Dombaumeister*innen dient. Die Schwerpunktthemen werden am konkreten Beispiel des Linzer Mariendoms in Form von Fachvorträgen präsentiert und diskutiert. Darüber hinaus stellen die Teilnehmer*innen ihre aktuellen Projekte an den Domen, Münstern und Kathedralen in Form von Werkstattberichten vor. Zum dritten Mal findet die Dombaumeistertagung - nach 1976 und 1997 in Wien - in Österreich statt, erstmals in Linz.
Die Gäste kommen aus elf europäischen Ländern, unter anderem aus Norwegen, der Schweiz, Frankreich, Italien, Belgien, Spanien und Lettland. Ihr Kommen haben beispielsweise Vertreter*innen vom Kölner Dom, vom Münster Straßburg, von der Sophienkathedrale Kyjiw und von der Royal Military Chapel London zugesagt. Österreich ist neben Gastgeber Mariendom auch mit Wolfgang Zehetner, Dombaumeister des Stephansdoms, vertreten.
Digitalisierung als Chance für Begegnung und Vermittlung
Im Mittelpunkt der Dombaumeistertagung steht das Thema Digitalisierung. „Wir sehen diese nicht nur als Werkzeug für konservatorische Maßnahmen, sondern als Chance, den Dom in seiner Vielfältigkeit nach außen zu tragen und einer breiten Öffentlichkeit auf neue Weise zugänglich zu machen“, so Dipl.-Ing. Michael Hager, Dombaumeister des Mariendoms. So werden bei der Tagung erstmals virtuelle Rundgänge in einer hochaufgelösten Punktwolke des Doms im Deep Space des Ars Electronica Centers gezeigt. Photogrammetrische Aufnahmen des Hochaltars, des Kunstschatzes sowie Gigapixelaufnahmen der Gemäldefenster ermöglichen einen noch nie dagewesene Detailierungsgrad. Durch diese Methoden werden eine einzigartige Wahrnehmung der Objekte und Räume und neue Möglichkeiten innovativer Forschungs- und Vermittlungsstrategien geschaffen. Auch das Thema Handwerk wird bei der Tagung ins Zentrum gerückt. Gerhard Fraundorfer, Domhüttenmeister am Mariendom, präsentiert den europäischen Kolleg*innen die Steine des Doms und deren Abbau-Stätten. Auch das erst im April fertiggestellte neue Domcenter, das eine Verknüpfung von Stadt und Kirchenraum darstellt, wird im Rahmen der Tagung als Raum im Sinne einer gelebten Willkommens- und Vermittlungskultur vorgestellt.
Bei der Dombaumeistertagung werden den Teilnehmer*innen erstmals virtuelle Rundgänge in einer hochaufgelösten Punktwolke des Doms im Deep Space des Ars Electronica Centers gezeigt
Unter den Vortragenden der Tagung: Kai-Uwe Beger (Zwingerbaumeister Zwinger Dresden), Dr.-Ing. Albert Distelrath (stv. Dombaumeister Köln), Dipl.-Ing. Gerd Meyerhoff (Baureferent im Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland), Univ-Prof.in Dr.in Anna Minta (Katholische Privat-Universität Linz), Hofrat Mag. Johann Nimmrichter (Leiter Abteilung für Konservierung und Restaurierung Bundesdenkmalamt), Arch. Pedro Pignatelli (Dombaumeister Kathedrale Toledo), Mag.a Dr.in Christina Wais-Wolf (Kunsthistorikerin und Forscherin Glasmalerei), Mag.a Petra Weiss (Fachdirektorin Bundesdenkmalamt) und mehr.
Dombauhütten als immaterielles Kulturerbe
Die Dom- und Münsterbauhütten zeichnet seit dem Mittelalter eine multidisziplinäre Zusammenarbeit aus: Eine Bauhütte setzt sich aus der Gesamtheit ihrer Mitarbeiter*innen zusammen, von Lehrlingen über Gesell*innen bis hin zu Hüttenmeister*innen und Dom-/Münsterbaumeister*innen. Sie geben Wissen, handwerkliche Fertigkeiten und Fähigkeiten verschiedenster Gewerke weiter, bilden Nachwuchs aus, halten Feste und Rituale lebendig, dokumentieren ihre Arbeiten und repräsentieren das Bauhüttenwesen nach außen. Das Bauhüttenwesen trägt somit zur permanenten und nachhaltigen Pflege des jeweiligen Doms bei und ist ein Garant für die Erhaltung und Weitergabe traditioneller Handwerkstechniken. Dafür wurde das Dombauhüttenwesen 2020 von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe in das Register Guter Praxisbeispiele aufgenommen.
Lebendiges, grenzüberschreitendes Netzwerk
Die Europäische Vereinigung der Dombau-, Münster- und Hüttenmeister wurde 1998 in Köln gegründet und hat sich aus der informellen Zusammenarbeit von mitteleuropäischen Dombauhütten seit 1975 entwickelt. Zurzeit sind es rund 150 Mitglieder aus 17 europäischen Nationen, die zusammenkommen, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und die bestehenden Verbindungen zu pflegen. Inhalte der jährlich stattfindenden Dombaumeistertagungen sind der fachliche Austausch auf planerischer, denkmalpflegerischer und handwerklicher Ebene und die Diskussion über Erhaltungsmaßnahmen der verschiedenen Bauwerke. Dabei werden aktuelle Restaurierungsmaßnahmen, technologische Neuerungen sowie Materialfragen besprochen, Forschungsergebnisse präsentiert und der jeweilige Bau des Gastgebers vorgestellt. Zu den Themen zählen beispielsweise die Konservierung von Stein, Holz, Metall, Glas, Lehmziegeln, aber auch Monitoring und Dokumentationstechnologien. Ein weiteres, sehr viel Raum einnehmendes Thema ist der Brandschutz der Großkirchen. Die Vereinigung befasst sich auch mit europäischer Gesetzgebung, welche die Tätigkeit ihrer Mitglieder betreffen könnte. Zuletzt war dies bei Neuregelungen zur Verwendung von Blei der Fall, die zum Beispiel für die Dachdeckung und Verglasung kirchlicher Bauwerke und für den Orgelbau von Bedeutung ist.
Mit freundlicher Unterstützung von Linz Tourismus