Donnerstag 18. April 2024
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Dreh dich um, ich bin schon da!

von Gabriele Eder-Cakl am 18. Juni 2018, 14:43 Uhr

Auf dem Titelbild eines Buches bei mir zu Hause sehe ich einen Mann der auf der Straße geht und hinter ihm ist mit Kreide am Boden geschrieben: Gott ist hier. ORF Morgengedanken im Juni mit Gedanken zur Pastoral in der Zukunft. 

 

10. Juni 2018

 

Dreh dich um, ich bin schon da.

 

Auf dem Titelbild eines Buches bei mir zu Hause sehe ich einen Mann der auf der Straße geht und hinter ihm ist mit Kreide am Boden geschrieben: Gott ist hier.

Der Mainzer Bischof Hermann Volk, warnte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bereits vor 50 Jahren immer wieder davor, Gott nur aus einer Richtung zu erwarten. „Wir starren in eine Richtung aus der Gott kommen muss, in der Zwischenzeit steht er allerdings hinter uns und sagt: Dreh dich um, ich bin schon da.“

Es ist verführerisch, Gott und die Menschen, die an Gott glauben in den gewohnten Bildern zu erwarten. Zum Beispiel immer in nur eine Richtung zu schauen mit der fixen Vorstellung: genau so muss ein gläubiger Mensch aussehen.

Es ist oft sehr erfrischend, in die andere Richtung zu schauen und einen lebendigen Glauben zu sehen, der ansteckt.

Ich erlebe das, wenn ich im Zug mit mir fremden Menschen ins Gespräch komme – oft erlebe ich eine große spirituelle Tiefe beim Gegenüber. Oder bei Jugendlichen, die um den richtigen Platz in dieser Welt ringen.

Was sehen Sie, wenn Sie sich umdrehen und Gott schaut Sie an? Wie geht es Ihnen?

 

 

 

 

11. Juni 2018

 

„Jeder Arbeiter / jede Arbeiterin der Welt ist mehr wert als alles Gold der Erde, weil er/ sie ein Kind Gottes ist.“

 

Auf diesen Satz des Arbeiterpriesters Josef Cardijn fußt die Arbeit unsere Betriebsseelsorge.

Es steckt so viel Wertschätzung drinnen. Wertschätzung für Menschen, die nicht immer glänzen und strahlen, die schwitzen, weil‘s anstrengend ist. Die auch einmal fluchen, weil etwas nicht klappt. Die sich voll hineinhängen und ihr Bestes für die Firma und die Aufgaben geben.

In diesem Satz steckt die gesamte Frohe Botschaft des Christentums: Du bist ein geliebtes Kind Gottes – so wie du von Gott geschaffen worden bist.

Wir können von der Betriebsseelsorge enorm viel für unsere Seelsorge heute im Jahr 2018 lernen – dadurch, dass Gott bereits in jedem Menschen anwesend ist.

Die Seelsorge ist daher eine hingehende, eine zuhörende. Gott fragt die SeelsorgerInnen um seine Unterstützung.

Wenn wir als Kirche heute so auf Menschen zugehen, dann entsteht ein echter und ehrlicher Dialog. Ein Austausch darüber, was jede und jeder vom Evangelium im Leben verstanden hat oder womit gerungen wird. Dann ist Kirche auf einem guten Weg in die Zukunft.

 

 

 

12. Juni 2018

 

Der tschechische Theologe und Religionsphilosoph Tomáš Halík hat seinem jüngsten Buch den Titel gegeben: Glaube und sein Bruder Zweifel.

 

Vor Kurzem war auch in der Wochenzeitung Die Zeit ein großer Teil dem Zweifel / Glaubenszweifel gewidmet.

Halik beschreibt, dass Glaube und Zweifel eng beisammen liegen. Oft stellen sie sogar dieselben Fragen oder thematisieren ähnliche Inhalte. Früher musste der Glaube tadellos und ohne jeglichen Zweifel sein – so wurde es zumindest der Generation meiner Eltern gepredigt.

Doch der Zweifel gehört sogar zu jeder guten Heiligenbiographie – oft auch sehr dramatisch, sodass Heilige von „Gottesferne oder Gottesnacht“ sprechen. Aus diesem Grund können wir ruhig vom Bruder Zweifel sprechen.

Wenn ich in Gesprächen mit spirituell suchenden und zweifelnden Menschen gut hinhöre, dann bin ich zeitweise hellwach, weil das gegenüber genau meine Themen anspricht und meine Fragen stellt.

Für Halik schauen wir beide, dann von verschiedenen Seiten auf denselben Gott. Er drückt es sinngemäß so aus: Stellen wir uns an dieser Stelle die Frage, ob sich hier nicht ein ungenutzter Weg auftut, indem wir eine bestimmte Art des ‚Unglaubens‘, (des Zweifels) neu interpretieren und ihn als eine Sicht auf die steile, ‚in eine Wolke gehüllte‘ Bergspitze des undurchdringlichen göttlichen Geheimnisses von der anderen Seite des Berges zu begreifen.

 

 

 

 

13. Juni 2018

 

Jugendliche reden über Gott und Religion in solchen Sätzen:

 

Was ich glaube, ist meine Sache. Was wahr ist, weiß sowieso keiner? Was bringt mir Religion?

Gott begleitet. Es gibt mir ein gutes Gefühl und nimmt meine Angst. Ich habe keine Verpflichtung gegenüber Gott.

Die meisten brauchen das Vertrauen darauf, dass nach dem Leben noch etwas kommt.

 

Aus diesen Aussagen spricht die Lebenserfahrung heutiger Jugendlicher, aber auch der Zeitgeist: Menschen holen sich ihre Religiosität aus einem breiten Angebot und stellen sich ihre Glaubenswelt zusammen.

Dass die Gesellschaft ohne Gott oder Religion ist – das kann heute niemand ernsthaft behaupten.

Etablierte Religionsgemeinschaften oder christliche Kirchen sind ab und zu versucht, diese Sätze der Jugendlichen zu bewerten. Wer wirklich glaubt, der redet anders: so oder ähnlich wird gesprochen.

 

Was mach ich? Wo will ich hin? Was ist der Sinn meines Lebens?

Verbinden uns nicht alle diese Fragen – die übrigens hochreligiös sind?

 

Ich träume davon, dass wir in der Kirche – in der ich wesentlich mitgestalte – aufhören, die Menschen nach richtig oder falsch glaubend einzuteilen.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem 17-jährigen Gärtnerlehrling. Viel geredet hat der Bursch eigentlich nicht. Die langen tiefen Pausen im Gespräch haben mir mehr spirituelle Tiefe gezeigt, als so manch hochtheologisches Gespräch, das ich geführt habe.

 

 

 

 

14. Juni 2018

 

„Wer die Kirche ist, zeigt sich, wo sie ist.“

 

Dieser Satz prägt heutige Seelsorge in der Katholischen Kirche. Papst Franziskus lebt dies seit Beginn seiner Amtszeit vor. Sein erster Besuch war nicht beim italienischen Staatspräsidenten, sondern in Lampedusa bei den Flüchtlingen. Oder die Fußwaschung von Menschen in römischen Gefängnissen. Ich bin jedes Jahr wieder sehr beeindruckt von diesem Zeichen, wie der Papst vor den Menschen kniet, die wahrlich kein geradliniges Leben hinter sich haben. „Ich möchte euch mit dieser Geste zeigen, wie Jesus handelt“, sagt er zu den Menschen.

Oder bei seinem Besuch in Peru ist er nicht zuerst nach Lima in die Hauptstadt gefahren, sondern in eine kleine Stadt am Rand des Regenwaldes, wo Gold unter unmenschlichen und umweltzerstörerischen Umständen gewonnen wird.

Immer wieder sagt er, dass ihm eine verbeulte Kirche, die bei den Menschen, bei den Hotspots der Welt ist, lieber ist, als eine rein glänzende, die nur zu Hause in den vier Wänden sitzt.

Also dann:

Machen wir die Augen auf. Hören, schauen wir, was in der Welt rund um uns herum wirklich vor sich geht und gehen wir als Kirche hin. Denn: Wer die Kirche ist, zeigt sich, wo sie ist. Das nehmen wir uns in der Katholischen Kirche in Oberösterreich bei unserem Zukunftsweg vor.

 

 

 

 

15. Juni 2018

 

Ehrenamtliche Arbeit oder Gemeinwohldienste haben sich verändert in den letzten Jahren.

 

Heute engagiert sich jemand für einen Abend, weil dies gerade das richtige Thema ist, danach wieder nicht mehr für einige Zeit. Das fordert Organisationen wie die Kirche stark heraus.

Die Theologie spricht davon, dass das Innen und Außen der Kirche miteinander korrespondieren, die Grenzen verschwimmen.

Ich verdeutliche es an einem Beispiel: Der Petersdom besteht aus dem Kirchenhaus und den offenen Kollonaden davor. Tausende Menschen gehen täglich zwischen den Säulen durch – sind drinnen und draußen zugleich.

Es ist fast wie auf einem Campingplatz: Einmal sind viele Zelte, ein anderes Mal wenige. Eigentlich weiß man nie, wie viele am Abend in einer Runde zusammensitzen, wer gerade schwimmen geht oder wandert?

Auch die Wissenschafter überschreiten Grenzen. So bewegt sich der bedeutende Philosoph Slavoj Žižek ungeniert zwischen der Physik, der Theologie, Kulturtheorie und Philosophie hin und her.

Wissen Sie übrigens, dass auf der DNA eines Moleküls weit mehr Daten gespeichert werden können, als auf einer Computerfestplatte – zudem ist diese vor Hackern sicher, weil die DNA im Kühlschrank gelagert wird. Die Wissenschafter, die das können, nennen sich Bioinformatiker und einer der ersten Sätze, die gespeichert wurden, war aus der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Ich muss sagen, für mich ist das eine spannende und sehr inspirierende Welt!

 

 

 

 

16. Juni 2018

 

Menschen leben heute religiös und säkular zugleich.

 

Diese Erkenntnis ist ganz anders als noch vor ein paar Jahren. Lange wurde ganz klar zwischen säkular – also unreligiös – und religiös unterschieden. Dazwischen war eine dicke Grenze.

Heute haben Menschen zum Beispiel am Sonntag etwas Anderes zu tun, als in die Kirche zu gehen und am Montag zünden sie eine Kerze in einer Kirche an oder bitten um den Segen für ihr Kind.

Der Philosoph Charles Taylor drückte es vor Kurzem in einem Interview so aus: Einst war es selbstverständlich an Gott zu glauben, heute ist es eine Option unter vielen. Menschen geben an, religiös und gläubig zu sein – wollen sich aber keiner Konfession klar zuordnen. Oder sie sagen, dass sie den Glauben nicht praktizieren und dieser trotzdem eine wichtige Dimension ihrer Identität ist.

Diese Realität fordert natürlich die christlichen Kirchen und ihr seelsorgliches Tun enorm heraus, denn das bedeutet eine Haltungsänderung, eine neue Ausrichtung.

In einer Umfrage in Oberösterreich gaben Menschen an, dass sie sich ein „Licht im Pfarrhof“ dringend wünschen. Ich denke, dahinter steckt der Wunsch, dass am Ort jemand für sie da ist. Auch wenn Menschen sich nicht an eine Gemeinschaft stark binden wollen, möchten sich doch die Gewissheit haben, einmal für einen Segenswunsch im Pfarrhof anläuten zu können.

Dass dies Innovation und Kreativität von den Kirchen in Zukunft braucht, liegt auf der Hand. Genauso wie die Frage, wie Glaube heute zur Sprache gebracht wird und weitergegeben werden kann.

Hier lerne ich von den Emmausjüngern. Sie gingen lange mit Jesus ohne ihn zu erkennen. Als sie ihn erkannten, war er weg. Aber sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz, als wir mit ihm redeten? Und sie liefen sofort zurück zu ihren Freunden und erzählten mit brennendem Herzen, was sie erlebt haben.

 

 

Mag.a Gabriele Eder-Cakl

Pastoralamtsdirektorin der Diözese Linz

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