Freitag 19. April 2024

Rudolf Habringer: "Island-Passion"

Rudolf Habringer. © Rudolf Habringer

Eine Sonate aus Worten von Rudolf Habringer - rezensiert von Stefanie Petelin.

Der in Walding bei Linz lebende Stifter-Stipendiat (2012) Rudolf Habringer erzählt in seinem breit angelegten Entwicklungsroman die Lebensgeschichte von Richard Behrend, der als junger Musikwissenschaftsstudent und Zeitungsjournalist anlässlich des Schachweltmeisterschaftsfinales zwischen Spasski und Fischer 1972 erstmals nach Island kommt und dort zufällig auf die Spuren des österreichischen Musikers Karl Wallek, der 1938 aus Graz nach Reykjavik emigrierte und dort das isländische Musikleben begründete, stößt. Seine Recherchen in Island und Österreich zeigen Behrend irritierende Zusammenhänge auf, er stellt fest, dass auch am musikwissenschaftlichen Institut im Wien der 1970er der Umgang mit Vergangenheit und Geschichte kein einfacher ist. Und so trifft er die Entscheidung, das Studium an den Nagel zu hängen und in Island einen Neuanfang zu wagen…

 

Habringers gesamte Spurensuche scheint dabei formal „komponiert”: in einem 15seitigen Prolog, in dem er drei Szenen aus den Jahren 1973, 1964 und 2004 wiedergibt, stellt er – der Einleitung einer Sonate gleich – bereits in einem Andante Motive der späteren „Sätze” kurz vor. In der „Festlandepoche” benannten Exposition wird das thematische Material des Hauptsatzes rund um Behrend vorgestellt, bevor in dessen „Islandtagebuch” das Thema des Seitensatzes (u.a. Wallek) aufgegriffen wird; an dessen Ende steht in der Schlussgruppe erstmals eine motivische Synthese beider Sätze. Mit dem Abschnitt „Am Leuchtturm” folgt schließlich die Durchführung, in der eine ausführliche dialektische Auseinandersetzung beider Themen sowie ein Höhepunkt des Spannungsbogens zu beobachten ist, bis zuletzt in der Reprise eine Annäherung, eine Entspannung – auch im Leben von Behrend – stattfindet.

 

Wie alle Protagonisten „[a]uf seltsame Weise miteinander vernetzt [sind], verbunden durch feine Fäden, verbunden durch Geschichten, Sätze, Menschen, Erfahrungen” (S. 307) zeigt Habringer in seiner geschickt zwischen mehreren Zeitebenen und Schauplätzen wechselnden „Komposition”. „Island-Passion” eignet sich (neben dem intelligenten, spannenden Lesevergnügen) daher bestens für die fächerübergreifende Bearbeitung – u.a. in Deutsch, Geschichte, Musik: Weil darin nicht nur Themen für junge Menschen angelegt sind (Selbstfindung, Freundschaft, Liebe und die dazu gehörenden „großen Gefühle”), sondern weil hier die individuelle Geschichte auf die große (Kultur-) Geschichte und deren (Nicht-) Verarbeitung trifft (und das von den 1930er-Jahren bis in die Gegenwart) und weil sich die Diskussion um Faktualität und Fiktionalität (als Vorbild für Wallek diente die Geschichte des Viktor Urbancic) ebenso anbietet wie jene über die im Erzählen stattfindende Konstruktion retrospektiver Teleologien, denn: „Jede Lebensgeschichte ist […] das Ergebnis eines Versuchs, […] einen roten Faden, Sinn zu finden, jedes Leben die Behauptung, es sei das Ergebnis zielgerichteter Zusammenhänge und nicht des Zufalls.” (S. 82)

 

Habringer, Rudolf (2008): Island-Passion. Roman. Wien: Picus Verlag. 353 Seiten.
ISBN 978-3-85452-626-1 – EUR 22,90.

 

Erstmals erschienen in: Esterl, Ursula / Petelin, Stefanie (Hrsg.) (2013): ide (informationen zur deutschdidaktik) – Musik. Nr. 2/2013. Innsbruck: StudienVerlag. S. 135.

 

(sp)

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