Ukraine: Krieg, nicht Krise
Weil bis dato mindestens 7.000 Tote zu beklagen sind – Dunkelziffern sprechen von bis zu 50.000 getöteten Menschen! – nennt Egbert Jahn die Ukraine-Krise Krieg.
Eine Zusammenfassung der Veranstaltung im Wissensturm, in der Friedensforscher Egbert Jahn die Kriegs-Hintergründe und den Kriegs-Verlauf chronologisch aufbereitete und Wege zum Frieden aufzeigte. Veranstalterin war die Friedensinitiative der Stadt Linz in Kooperation mit Pax Christi OÖ und der Volkshochschule Linz:
Im Spannungsfeld: Ost und West
Seit Jahrzehnten befindet sich die Ukraine in einem Spannungsfeld. Der geographisch östliche Teil der Ukraine ist russisch orientiert. Der ökonomische Schwerpunkt des Osten liegt auf der Schwerindustrie. Der geographische Westen orientiert sich am europäischen Westen. Die Menschen dort sind tendenziell ärmer. Diese Ost-West-Spannungen innerhalb der Ukraine konnten bis vor einem Jahr durch geschickte Politik austariert werden.
EU als Kriegsauslöser
Als Kriegsauslöser sieht Jahn vor allem das EU-Assoziierungsabkommen. Dieses stellte die Ukraine vor eine Zerreißprobe: Die Europäische Union habe „mit Dummheit und Dilettantismus“ die Komplexität der ukrainischen Gesellschaft außer Acht gelassen, so Jahn. Und weiter: „Sie stieß mit dem geplanten Freihandelsabkommen die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung und Russland vor den Kopf.“
Kriegsentwicklung
In der Folge setzte eine fatale Entwicklung ein, die Jahn skizzierte: Präsident Wiktor Janukowytsch wollte das Abkommen nicht unterschreiben. Die westlich-orientierte Maidan-Bewegung forderte seinen Sturz. Die Situation radikalisierte sich. Polizei und Demonstranten schossen aufeinander. Der Präsident floh. Die Krim wurde von Russland annektiert. Östliche Teile der Ukraine erklärten sich als unabhängig und wollen den Anschluss an Russland. Seither herrscht Krieg. Weil die Separatisten von Russland unterstützt werden, kann die Ukraine diesen Krieg, laut Jahn, „sicher nicht gewinnen“.
EU-Sanktionen: angemessen?
Die gemäßigten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland im Zuge der Krim-Annektion hält Jahn für angemessen: „Sie sind ein berechtigter symbolischer Protest gegen den Völkerrechtsbruch: Erstmals seit dem zweiten Weltkrieg hat eine Großmacht ihr Territorium ausgedehnt. Dagegen ist Protest einzulegen, wohl wissend, dass die Sanktionen Russland nicht umstimmen werden.“
Wege zum Frieden
Friedenspolitisch fordert Jahn Waffenstillstand, Abrüstung und ein Einschließen Russlands in die Sicherheitspolitik:
- Waffenstillstand: Vermutlich werde ein Waffenstillstand zwar wieder gebrochen werden. Aber im Sinne der Schonung von Menschenleben gebe es, dem Friedensforscher Jahn zufolge, keine anderen Alternative, als es immer wieder zu versuchen.
- Abrüstung: Rückzug der schweren Waffen, keine Waffenlieferungen.
- Entwicklung einer Sicherheitspolitik, die Russland einschließt: „Einen Frieden kann es nur mit Russland geben, also ist alles zu tun, was die Kooperation zwischen EU und Russland stärkt: wirtschaftliche Zusammenarbeit, militärische Kooperation stärken (NATO-Russland-Rat), Neutralität der Ukraine (sprich: NATO-Beitritt der Ukraine ausschließen)“, erläuterte Jahn das Warum.
Der Referent Egbert Jahn
Egbert Kurt Jahn (geboren am 26. Mai 1941 in Berlin) ist ein deutscher Politikwissenschaftler, Zeithistoriker und Friedensforscher und emeritierter Professor der Universität Mannheim. Lesen Sie mehr über Egbert Jahn auf Wikipedia.
Pühringer, Markus, Pax Christi OÖ (ma)