Freitag 29. März 2024

Eine Kirche für die Armen oder die Kirche der Armen

© Morguefile / Routine

Predigt von Bischof Erwin Kräutler zum 30. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,

 

Geht das überhaupt: den Nächsten lieben wie sich selbst? Heißt das nicht, dem Nächsten all das zu wünschen, zu gönnen und zu tun, was ich für mich selbst beanspruche und will? Gott zu lieben und die Nächsten ist für Jesus das Resümee des Gesetzes und der Propheten. Im Johannesevangelium geht Jesus noch weiter und erteilt seinen Jüngern den Auftrag: „Liebt einander, genauso wie ich euch geliebt habe“. Auf dem „genauso wie“[1] liegt die Betonung. Jesus will eine Liebe ohne Abstriche und ohne Grenzen, „bis zum Äußersten“ (vgl. Joh 13,1 ∞ 19,30).

Jesus fordert nichts Unerfüllbares und tausende Menschen haben diese Liebe tatsächlich gelebt, oft sogar bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Wir nennen solche Menschen „Heilige“.

 

Die Zielgruppen dieser Liebe sind nach dem Beispiel Jesu vor allem die Armen, die Ausgeschlossenen, die Benachteiligten, alle jene, die in unserer Gesellschaft als überflüssig gelten. Gerade diesen Menschen neigt sich Jesus liebevoll zu. Er will aber nicht ein Reicher sein, der von seinem Reichtum etwas abgibt. Das Aufregende der Geschichte Jesu ist, dass er selbst arm wurde. „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie zum Sklave“ (Phil 2,6-7). Arm, in einem Stall, ist Jesus geboren. Arm, völlig entblößt und verlassen stirbt er am Kreuz.

 

Es ist diskriminierend, wenn Arme zu Objekten der Nächstenliebe werden. Die Pädagogik Jesu war eine ganz andere. In der ergreifenden Erzählung vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) bleibt es nicht beim Mitleid. Die Schlussfrage heißt auch gar nicht: „Wer war der Nächste?“ sondern „Wer ist zum Nächsten dessen geworden, der von den Räubern überfallen wurde“ (Lk 10,36). Es ist Auftrag des Evangeliums, dass wir anderen zu Nächsten werden. Menschen „an der Peripherie“, von denen Papst Franziskus spricht, sind nicht „Objekte“ karitativer Einrichtungen der Kirche sondern sie sind Kirche, Volk Gottes, haben also Subjekt-Status. So, jedenfalls, hat Jesus die an den Rand Gedrängten verstanden und sie sogar selig gepriesen.

 

Die Kirche ist dazu berufen, das Werk Jesu fortzusetzen. Das heißt, sie muss so sein wie Jesus sie wollte, also selbst arm und offen für die Armen und Notleidenden. Das Schlussdokument der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Aparecida will, dass die Kirche wieder ein „Zuhause für die Armen“ (DAp 524) wird [2]. Nur wenn sie selbst arm ist, kann sie den Ausgegrenzten und den Menschen an der Peripherie zur Nächsten werden.

 

Das Thema von einer „Armen Kirche“ ist gar nicht so neu. Am 11. September 1963, also rund vier Wochen vor der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils sprach der gute Papst Johannes XXIII in einer Rundfunkansprache plötzlich von einer „Kirche der Armen“ und wollte damit ganz sicher einen Standortwechsel für die Kirche in die Wege leiten.

 

Leider wurde unsere Kirche im Laufe der Jahrhunderte immer weniger zur Nächsten für die Leute an der Basis. Arme fühlten sich nicht mehr in der Kirche beheimatet. Gott sei Dank, beginnt der Trend, wenn auch noch sehr zaghaft, heute anders zu laufen und viele Priester, ja sogar Bischöfe steigen herunter vom Thron, mischen sich unter die Leute und erfahren sich als Diener des Volkes Gottes, werden wieder den Armen zu Nächsten. Unser Papst Franziskus geht mit gutem Beispiel voran und sagte bereits kurz nach seiner Wahl bei einem Empfang für die Vertreter der Medien: "Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen". Gerade deshalb hat er auch als Papst den Namen des Franz von Assisi gewählt. Hoffentlich kommt der schon von Johannes XXIII gewünschte Standortwechsel nun endlich zustande.

 

Im Zusammenhang mit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) gab es bereits konkrete Ansätze. Am 16. November 1965, drei Wochen vor dem Abschluss des Konzils, trafen sich in den Domitilla-Katakomben außerhalb Roms 40 Bischöfe aus verschiedenen Erdteilen und legten ein Gelübde ab. Sie versprachen, mit der Option für die Armen ernst zu machen, ein einfaches Leben zu führen und Machtinsignien zu entsagen. Dieses Gelübde erhielt den Namen Katakombenpakt. Den 40 Bischöfen schlossen sich später noch etwa 500 an. Unter anderem versprachen die Bischöfe:

 

  • Wir werden uns bemühen, so zu leben, wie die Menschen um uns herum leben.
  • Wir verzichten ein für allemal darauf, als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein.      
  • Wir lehnen es ab, mit Titeln oder Bezeichnungen angesprochen zu werden, in denen gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck gebracht werden (Eminenz, Exzellenz, Monsignore...).

 

Leider ist dieser Pakt schnell in Vergessenheit geraten. Nun aber kam ein Papst aus Lateinamerika, der wieder auf diese im Evangelium begründete Haltung und Gesinnung hinweist. Ein neuer Wind möge zu wehen beginnen, der all den schwerfälligen Ballast in den Ortskirchen wegfegt. Die Kirche soll wiederum das werden, was sie ursprünglich war: eine Gemeinschaft, in der gerade die armen und einfachen Leute ihre Heimat fanden. Niemand ist ausgeschlossen. Die Kirche ist für alle da. Aber sie hat die Sendung, Armen und Ausgegrenzten und insbesondere auch Flüchtlingen Heimat zu bieten und für diese Menschen Nächste zu werden.

 

Erwin Kräutler

Bischof vom Xingu

22.9.2014

 


 [1] Im griechischen Urtext steht hier nicht das gewöhnliche komparative „ὥV“ sondern  „καθώς“,  ein akzentuiertes „wie“: „genauso wie“.

 

[2] Im Dokument der V Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik (Aparecida, Brasilien, 2007), wird die Kirche zweimal als „Haus der Armen“ (DAp 8, 524) und als „Anwältin der Gerechtigkeit und der Armen“ (DAp 395) bezeichnet. Papst Franziskus, damals noch Kardinal-Erzbischof von Buenos Aires war Mitglied der Redaktionskommission des Schlussdokumentes.

 

Predigt zum Download.

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